Tekhnotma - Zeit der Dunkelheit: Roman (German Edition)
unwillkürlich die Augen zusammen, riss sie aber sogleich wieder auf, um Gest, den Herrscher, nicht aus dem Blick zu verlieren.
»Es war eine Falle, Rasin«, sagte Juna zu mir. Ihre Stimme zitterte. »Sie wissen, wie man die Nekrose aufhält. Aber dazu müssen sie … sie müssen …«
»In die Nekrose?«, fragte ich.
Der Herrscher beobachtete mich neugierig. An seinem Gürtel hing ein Dolch in einer prächtig verzierten Scheide, aber er versuchte nicht, ihn zu ziehen. Das Gesicht des Mannes war trotz der Attacken, die er eben erlebt hatte, vollkommen ruhig und gelassen.
Ich fuhr fort:
»Deshalb brauchen jetzt auf einmal alle einen, der durch die Nekrose gehen kann. Weil der irgendwas da rausholen soll, mit dem man die Nekrose überwinden kann. Was ist es, Herrscher? Ein Satz Chemikalien, mit dem man die Nekrose wegätzen kann? Oder eine Napalm-Bombe?«
»Woher kennst du dieses Wort?«, sagte der Herrscher.
»Welches? Bombe oder Napalm? Und du, woher kennst du es?«
Gest stand auf, er hielt immer noch sein Ohr fest. Ich befahl ihm:
»Dreh dich um.«
Der Herrscher gehorchte und legte die Hände auf den Rücken. Sein aufgerissenes Ohrläppchen blutete noch immer.
»Schneid ein paar Stoffstreifen aus dem Bettüberwurf«, sagte ich. »Was hast du noch erfahren?«
Juna zog den Dolch aus der Scheide und ging zum Bett hinüber.
»Er hat gesagt, dass man die Nekrose mit einem gewissen Gerät zerstören kann. Es ist ein altes Gerät aus der Zeit vor dem Untergang. Er nennt es ›Bestrahlungsgerät‹. Mik… irgendetwas mit Wellen …«
»Mikrowellen«, fiel ich ein und beobachtete, wie sich der Rücken des Herrschers anspannte.
»Genau! Das Gerät ist irgendwo unter der Erde versteckt, im Innern eines Hügels. Luka Stiditsch hat es Gest erzählt, aber woher der Opferpriester das wusste, ist nicht bekannt. Vermutlich von seinen Aufklärern. Jedenfalls war es Luka, der Gest geraten hat, mit dem Mecha-Korpus zu verhandeln …«
»Ich wollte euch wirklich helfen«, mischte sich der Herrscher ein. »Sonst hätte ich Timerlan gar nicht erst darüber informiert, dass es eine Möglichkeit gibt, die Nekrose zu bekämpfen.«
»Aber dann hast du es dir anders überlegt!« Das Mädchen riss den angeschnittenen Überwurf mit solcher Kraft auseinander, dass er mit einem Ruck in zwei Hälften zerfiel.
»Ich bin der Korporation gegenüber zu nichts verpflichtet, Juna. Dabei geht es nur um Politik. Ihr habt keinen Grund, mich zu hassen.«
»Vielleicht schon heute, spätestens morgen sterben die Menschen in Arsamas zu Hunderten! Das sind keine Mutanten, die ihr so verabscheut, sondern richtige Menschen. Familien, Kinder … Sie sterben oder sie werden zu schimmeligen, wahnsinnigen Marionetten! Und du hast aus politischen Gründen beschlossen, ihnen nicht zu helfen?«
»Ich wollte euch helfen. Aber ein Bündnis mit der Korporation hätte die Brennstoff-Clans endgültig gegen uns aufgebracht. Wie du siehst, ist das sowieso schon passiert.«
»Halt, warte«, sagte ich zu dem Mädchen, das mit den Stoffstreifen in der Hand auf den Herrscher zutrat. »Ich mache es selbst. Aber stell dich neben ihn und halt ihm die Pistole an den Kopf.«
Als das Mädchen so weit war, fesselte ich dem Herrscher die Hände auf dem Rücken.
»Was hat er noch gesagt?«
»Angeblich hat er nicht gewusst, dass der Hügel, in dem das Gerät versteckt ist, von Nekrose befallen ist. Vor zwei Tagen, als Luka schon zu dem Treffen mit mir aufgebrochen war, schickte er seine Männer unter der Führung von Djuk Aben nach Grauer Brand. Sie sollten das Gerät bergen und zum Tempel bringen. Aber als die Mönche sahen, dass der Ort von Nekrose befallen ist, kehrten sie um. Gleich hinter der Brücke wurden sie von Banditen überfallen. Djuk und der Großteil seiner Leute konnten sich retten, aber sein Assistent wurde gefangen genommen. Vermutlich haben sie ihn so lange gefoltert, bis er alles über das Bestrahlungsgerät verraten hat. Und dann hat es nicht mehr lange gedauert, bis die Brennstoff-Clans davon erfuhren …«
»Halt«, unterbrach ich sie. »Grauer Brand? Brücke? Hügel? Nekrose-Flecken?«
»Ja, was denn …?«, begann sie, verstummte dann aber.
Wir sahen uns an.
»Glaubst du etwa, dass das Gerät im selben Flecken versteckt ist, aus dem du gekommen bist?«, fragte Juna keuchend.
Ich erinnerte mich an den Raum mit der gläsernen Wand, an dem die Wachmänner mich auf dem Weg zu Doktor Huberts Versuchslabor vorbeigeführt hatten. Ich erinnerte
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