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Tempel der Träume - Der Roman (German Edition)

Tempel der Träume - Der Roman (German Edition)

Titel: Tempel der Träume - Der Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Marthens
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Nummer vom „Pour Elles“ in Berlin, aber noch immer nahm dort niemand ab.
    Sie wischte sich die Tränen weg, doch die nächsten bahnten sich bereits den Weg über ihre Wangen.
    „Haben Sie die Nummer Ihrer Bank bei der Hand?“, fragte auf einmal der ältere der Polizisten. „Sie müssen Ihre Karten sperren lassen.“
    „Oh Gott“, murmelte Samira entsetzt. Daran hatte sie noch gar nicht gedacht. „Die Nummern sind ...“ Sie lagen bei den Unterlagen neben dem Reisepass. Und der war gestohlen.
    Ihre Hände zitterten noch stärker. Angst und Entsetzen rumorten in ihren Eingeweiden, am liebsten hätte sie sich übergeben.
    Eilig lief sie nach draußen, um frische Luft zu schnappen. Wie eine Ertrinkende japste sie nach Sauerstoff. Die Nacht war mild, eine frische Brise wehte vom Meer her und ließ die Palmen rascheln. Die Lichter der amerikanischen Metropole schienen im Nachtwind zu flackern, doch das war nur eine optische Täuschung. Die Scheinwerfer vorüberfahrender Autos strichen über die Mauer des Motels, spiegelten sich in den Fenstern und erhellten die tropischen Blüten und Sträucher auf der Vorderseite des Gebäudes.
    In diesem Moment sehnte sich Samira so nach der kalten Frühlingsnacht mit kahlen Bäumen und frostigen Winden in Berlin, dass sie sich am liebsten auf dem Boden zusammengekauert und hemmungslos geweint hätte. Sie wollte in ihr warmes, weiches Bett und den vertrauten Geruch von zu Hause wahrnehmen, den bekannten Geräuschen wie dem der Straßenbahn, dem Klappern der Mülltonnen, dem Wind im Schornstein lauschen. Sie wollte die Stimmen ihrer Eltern hören, wie sie sich im Wohnzimmer über das Fernsehprogramm stritten, ihre Schwestern, die über das Essen nörgelten und sich mit Freunden verabredeten. Sie sehnte sich sogar danach, den kritischen und missbilligenden Blick ihrer Mutter zu sehen, wenn Samira wieder zu kurze Röcke und zu knappe Oberteile trug. Doch die Heimat und ihre Lieben waren weit weg, Tausende Kilometer entfernt.
    Wieder rannen Tränen über Samiras Gesicht. Aber sie wischte sie schnell weg. Sie musste wenigstens so tun, als würde sie die Nerven behalten, sonst machten die Cops gar nichts mehr, um ihr zu helfen. Sie nahmen sie jetzt schon nicht ernst.
    Immerhin besaß sie noch ihr Handy, die Verbindung zur Heimat.
    Sie wählte die Nummer ihres Vaters.
    „Puckler“, meldete der sich mit fester Stimme.
    „Hi, hier ist Samira“, antwortete Samira und bemühte sich, normal und einigermaßen unbeschwert zu klingen, als wäre sie noch im Besitz ihrer Habseligkeiten und sogar bei einer renommierten Modelagentur unter Vertrag.
    „Hallo Liebes! Wie geht es dir? Wir warten schon sehnsüchtig auf deinen Anruf! Wie läuft es in Amerika? Bist du gut angekommen? Wurdest du gut empfangen? Erzähle, warte, ich hole deine Mutter dazu!“
    „Nein!“, schrie Samira in den Hörer. „Hol sie nicht.“
    Ihr Vater hörte sofort, dass etwas nicht in Ordnung war. „Was ist los? Geht es dir gut?“
    Mit seiner sorgenvollen Stimme im Ohr verlor Samira nun doch völlig die Nerven.
    „Nichts ist gut“, schluchzte sie in den Hörer. „Es ist alles schiefgelaufen, was nur schiefgehen kann. Niemand kennt mich hier, da ist was mit der Adresse nicht korrekt. Und ich bin bestohlen worden. Mein Pass, meine Kreditkarte, mein Geld – es ist alles weg.“
    Ihr Vater murmelte etwas, was Samira nicht verstehen konnte, weil sie abermals laut schluchzte.
    „Es ist eine Katastrophe!“, fügte sie hinzu.
    „Dann komm nach Hause, Kind“, sagte ihr Vater. „Setz dich in den nächsten Flieger und komm heim. Du musst nicht dort bleiben.“
    „Ich weiß“, erwiderte sie und versuchte, sich zu fassen. Sie holte tief Luft und wischte sich die Tränen weg. „Aber ich will doch meinen Traum verwirklichen. Ich kann noch nicht zurück. Es ist nur ein holpriger Start, mehr nicht. Ich kann doch deswegen nicht aufgeben.“
    Sie schniefte und strich sich die Haare aus dem Gesicht, die die warme Brise hineingeweht hatte.
    „Bist du sicher?“
    Samira nickte. Sie wollte ihren Traum noch nicht aufgeben. Sie würde wegen ein paar gemeiner Diebe nicht die Erfüllung ihrer Sehnsucht in den Wind schreiben.
    „Kannst du mir bitte helfen?“, fragte sie. „Kannst du mir Geld schicken?“
    Ihr Vater überlegte einen Moment, bevor er antwortete. „Natürlich. Wie viel brauchst du?“
    „Vielleicht hundert Dollar? Oder zweihundert? Oder dreihundert? Ich habe keine Ahnung.“
    „Ich sehe, was die Bank erlaubt,

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