Tempel der Träume - Der Roman (German Edition)
dann lasse ich es an eines der amerikanischen Geldinstitute überweisen.“
„Und kannst du bitte meine Karten sperren lassen? Ich habe die Telefonnummern der Bank nicht mehr.“
„Natürlich.“
„Danke, Papa.“
„Ich hoffe, du weißt, was du tust.“
„Ich denke schon“, erwiderte Samira. „Und Papa! Bitte erzähl Mama nichts davon, und Anäis und Agathe auch nicht. Die machen sich nur unnötig Sorgen.“
„Ich auch, Samira, ich mache mir auch Sorgen.“
„Ich weiß, Papa, aber es ist nicht nötig. Ich beiß mich schon durch. Ich schaffe das.“ Sie schniefte erneut, aber die Tränen blieben aus. Ihre eigenen Worte hatten ihr wieder Mut gemacht.
„Ich hoffe, du rufst bald wieder an, mit besseren Nachrichten für uns“, sagte ihr Vater.
„Das mache ich, Papa. Bis bald.“
„Bis bald.“
Sie legte auf.
Mit den Händen, die inzwischen ruhiger geworden waren, wischte sie sich die letzten Reste der Tränen aus dem Gesicht.
Sie wollte gerade zu den unfähigen Polizisten in ihrem Hotelzimmer zurückkehren, als aus dem Büro des Motelmanagers ein Mann auf sie zukam.
„Sie sind diejenige, in deren Zimmer eingebrochen wurde?“, fragte er.
Samira nickte.
„Wir haben ein anderes Zimmer für Sie eingerichtet“, fügte er hinzu. „Dort können Sie heute und morgen wohnen, auf unsere Kosten natürlich. Es tut uns sehr leid, dass Ihnen das passiert ist.“
Er sah wirklich aus, als bedauere er den Vorfall.
Samira versuchte es mit einem Lächeln. Es klappte sogar einigermaßen.
„Danke“, erwiderte sie. Na bitte. Nun sah die Sache schon wieder etwas freundlicher aus.
VI
Einen starken Kaffee vor sich – schwarz und süß, so begann Felix Altmühl generell seinen Tag. Es war zu einer Zeremonie geworden, dass er dabei die Morgenzeitung las und in neu eingetroffener Fachliteratur blätterte. Nur keine Hektik oder Hast, das war ungesund.
An diesem Morgen fühlte er sich ausgesprochen wohl. Von Mumps, Windpocken und Scharlach war er offenbar verschont geblieben. Seine Selbstmedikation hatte wenigstens teilweise geholfen, und auch die Behandlungen bei dem Bio-Doktor schienen, wie versprochen, gut anzuschlagen. Er fühlte sich fast beschwerdefrei. Die Massagen bei Yvonne würden ein Übriges tun, ihn wieder völlig herzustellen.
Behaglich strich er sich über den gepflegten Vollbart, griff nach seiner Tasse und trank einen Schluck.
Igitt, war das eklig! Felix hustete und ließ die Tasse sinken. Der Kaffee schmeckte widerlich süß, dabei hatte er nur die üblichen zwei Löffel Zucker hineingetan. Oder?
Er stand auf, goss das ungenießbare Getränk in den Ausguss und schenkte sich neu ein. Wie hatte das nur passieren können?
Als er ohne hinzusehen nach der Zuckerdose greifen wollte, fasste seine Hand ins Leere. Er stutzte. Wieso stand die nicht mehr auf dem Tisch. Er konnte sich nicht erinnern, sie abgeräumt zu haben.
Die Dose fand er an ihrem üblichen Platz im Vorratsschrank, neben Salz, Mehl und Nudeln.
Felix schüttelte über so viel Zerstreutheit den Kopf, süßte dann bedacht seinen Kaffee mit zwei Löffeln Zucker und schlürfte genießerisch das aromatische Getränk.
Ohne Ordnung zu schaffen, das überließ er der Putzfrau, verließ der Restaurator eine halbe Stunde später die Wohnung und fuhr zu der kleinen Feldsteinkirche hinaus, wo seine Gesellen hoffentlich schon eifrig zugange waren. Auf dem Weg dorthin verfiel er erneut ins Grübeln. Das mit dem Zucker war wirklich höchst seltsam.
„Meister, wann können wir mit der Konservierung des Mittelteils beginnen?“, riss die Stimme des Altgesellen Felix aus seiner Konzentration. Er war mit dem rechten Flügel des Altarbildes beschäftigt, dem Himmelfahrtsmotiv. Dort galt es, im Haar und im Gesicht Jesu einige Stellen nachzuarbeiten. Eine Aufgabe, die viel Fingerspitzengefühl erforderte. Deswegen ließ Altmühl auch keinen seiner Mitarbeiter ran, obwohl die die meiste Zeit herumstanden und Däumchen drehten. Das war ihm nicht entgangen, obwohl die beiden eifrige Geschäftigkeit vortäuschten.
Felix zog missbilligend die Stirn kraus. Spätestens in zwei Tagen würde das Altarbild in ursprünglichem Glanz erstrahlen und die Werkstatt ein neues Projekt in Angriff nehmen. Höchste Zeit war es, damit die Bande sich nicht an den Müßiggang gewöhnte. Wo trieben sich die beiden bloß wieder herum?
„Wenn die Farbe trocken genug ist, das wissen Sie doch“, erwiderte er belehrend. „Übrigens brauche ich Thilo und Charly
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