Tempel der Träume - Der Roman (German Edition)
glaube ich“, antwortete die Tochter. „Er hatte Blumen mit, die hat er Oma gegeben, aber ich glaube, die waren für dich.“
Kiara biss sich auf die Lippe. Sie hatte bereits seit einiger Zeit das Gefühl, dass Holger eine Schwäche für sie besaß. Sie mochte ihn auch, aber nur als Freund oder Kollegen.
„Danke, dass du mir das gesagt hast“, erwiderte Kiara. „Ich werde ihn anrufen.“
„In Ordnung, Mama. Dann viel Spaß mit deiner Chefin. Wobei hat sie dir denn geholfen?“
Kiara zögerte. Sie wollte ihrer Tochter nicht erzählen, dass sie fast gefeuert worden war.
„Ach, eine Kundin hatte sich beschwert und meine Vorgesetzte hat alles ins rechte Licht gerückt, das war alles.“
„Das war alles? Und deswegen lädst du sie ein und lässt mich allein?“
Ihre Tochter war wirklich ein schlauer Fuchs. Sie hatte sie mit der Frage tatsächlich aufs Glatteis geführt.
„Ja, denn wenn sie das nicht gemacht hätte, hätte ich meinen Job verloren“, gab Kiara daher zu. „Hast du denn schon deine Hausaufgaben gemacht?“
„Nein. Viel Spaß, Mama!“, rief Lea.
„Mach deine Hausaufgaben!“, mahnte Kiara, doch da hatte die Kleine schon wieder aufgelegt.
Ich hoffe mal nicht, dass das zur Gewohnheit wird, seufzte Kiara. Ihre Tochter war eine aufgeweckte kleine Person, die ihren eigenen Kopf hatte und sich trotz ihrer zehn Jahre immer besser gegen die Erwachsenen behauptete. Aber solange sie immer noch gute Noten nach Hause brachte und auch sonst gelehrig und gehorsam war, musste sich Kiara wohl keine Gedanken machen.
Jetzt war erst einmal ihre Verabredung mit Myrtel Ragewitz dran. Sie hatte keine Ahnung, ob ihre Chefin auch wirklich Interesse hatte, mit ihr auszugehen. Dass sie die Ältere einladen wollte, hatte zwei Gründe. Auf der einen Seite wollte sie sich tatsächlich dafür bedanken, dass sie sich beim alten Logan so für Kiara eingesetzt hatte. Ohne sie wäre sie bereits arbeitslos, und ihr Einsatz im „Pour Elles“ nach extrem kurzer Zeit bereits zu Ende. Auf der anderen Seite erhoffte sie sich von der Frau ein paar Informationen über die Mitarbeiter und Kunden.
Sie steckte ihr Handy wieder ein und verließ den Umkleideraum für die Angestellten, um an Myrtels Bürotür zu klopfen.
Doch sie kam nicht weit, denn von unten hörte sie eine aufgeregte Stimme.
Sie eilte die Treppe hinunter, wo Josephine, die üppige Rothaarige, auf den Türsteher einredete.
„Aber ich brauche jetzt Hilfe!“, rief sie. „Es muss doch noch jemand im Hause sein, der mich behandeln kann!“
„Es sind nur noch der Fitnessbereich und das Schwimmbad geöffnet“, erwiderte der junge Mann in der Livree.
„Was ist passiert?“, fragte Kiara dazwischen, als sie unten angekommen war.
„Ich habe eine Operation hinter mir und brauche dringend Dehnungsmassagen, um die überforderten Muskeln zu lösen.“
„Das tut mir sehr leid. Was wurde denn operiert?“, fragte Kiara mitleidig.
Josephine sah sie an, als wäre sie nicht ganz richtig im Kopf. „Wieso tut es dir leid? Ich habe mir die Brüste vergrößern lassen und nun Schmerzen im Rücken. Ich brauche jemanden, der mir schnell eine Massage verpasst, dann gehe ich wieder.“
„Es ist niemand mehr da“, antwortete Kiara perplex. „Frau Ragewitz und ich haben jetzt ebenfalls Feierabend. Du könntest morgen wiederkommen.“
„Und wie soll ich die Nacht überstehen mit den Schmerzen? Ich will noch auf eine Party gehen, dafür muss ich schmerzfrei sein. Denk mal ein bisschen nach, Krankenschwester!“, zischte sie.
Kiara zuckte bei den Worten zusammen. „Wenn es so schlimm ist, dann solltest du vielleicht eine Schmerztablette nehmen, damit sich dein Körper nicht noch mehr verspannt.“
„Das habe ich schon, Dummerchen. Seit wann bist du Ärztin, dass du mir sagen kannst, was ich nehmen oder machen soll und was nicht? Du bist nur Krankenschwester, mehr nicht. Ich kenne deine Akte. Hättest du in der Schule ordentlich aufgepasst und was Richtiges gelernt, müsstest du jetzt hier nicht rumstehen und dir das Gejammere dummer Kunden anhören. Also besorg mir jemanden, der mich massieren kann!“
Kiara schluckte hart. Die gehässigen Worte hatten ihr die Sprache verschlagen. Sie trafen nämlich zum Teil zu. Kiara hatte als Kind immer davon geträumt, Ärztin zu werden. Allerdings hatte sie in der Schule ordentlich aufgepasst und dort sogar mit „Sehr gut“ abgeschnitten. Sie hatte wegen Lea auf ein Studium verzichtet. Aber das konnte die Rothaarige nicht
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