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Tempel der Träume - Der Roman (German Edition)

Tempel der Träume - Der Roman (German Edition)

Titel: Tempel der Träume - Der Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Marthens
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zurückgekehrt. Sie wusste nicht, ob er bei Karlo, seinem Freund, schlief oder vielleicht in ein Hotel gezogen war. Er hatte sich nicht gemeldet, und sie hatte ihn nur einmal kurz auf dem Handy erwischt, als er vom Fußball kam. Das war alles. Er hatte tatsächlich vor, die Trennung durchzuziehen. Aber das ging nicht! Nicht jetzt!
    Sie betrat das Schlafzimmer, das wie ein Dreieck geschnitten war und an eine gemütliche Höhle erinnerte. Davor befand sich ein Arbeitszimmer, das allerdings niemand zum Arbeiten benutzte. Höchstens die Steuererklärung erledigte Dieter hier. Ein paar Bücherregale mit Ordnern und Sachbüchern bedeckten die Wände, gegenüber stand ein verstaubter Schreibtisch. Das Zimmer sah die Bewohner eigentlich nur, wenn das Finanzamt schrieb, und wenn jemand eine Zigarette rauchen wollte, da es zu einem kleinen Balkon führte, der auf die Straße hinunterblickte. Gemütlich draußen gesessen hatten Myrtel und Dieter auch schon seit Jahren nicht mehr.
    Neben dem Arbeitszimmer lag das großzügige Wohnzimmer mit einem Esstisch, eine Couchecke und einem riesigen Fernseher, im vorigen Jahr das neueste Modell auf dem Markt. Dahinter befand sich noch ein Raum, der für Gäste reserviert war. Doch auch dieses Zimmer hatte schon lange niemand mehr benutzt. Dieters Eltern kamen kaum noch zu Besuch, seitdem sie im Seniorenheim lebten, und Freunde von Außerhalb besaß das Paar nicht.
    Für sie alleine war die Wohnung definitiv zu groß. Doch er konnte nicht von ihr verlangen, dass sie in ihrem Zustand umziehen musste. Das würde er bestimmt einsehen.
    Sie ging in den Flur zur Garderobe, die neben der Tür zur Küche an der Wand hing, und nahm ihren Mantel herunter.
    Dann öffnete sie die Tür und verließ die Wohnung.
    Sie setzte sich in ihren kleinen Opel, der schon andere Jahrzehnte, sogar schon ein anderes Jahrtausend gesehen hatte, und fuhr los. Der Wagen hatte seine Macken, lief seit einiger Zeit nicht mehr ganz rund, hin und wieder blieb er sogar stehen, aber Myrtel konnte sich kein neues Auto leisten. Zumal sie es in der Stadt auch kaum benötigte. Normalerweise war alles gut mit der U- und S-Bahn oder mit dem Bus erreichbar. Aber wenn sie zu Dieter in die Firma wollte, brauchte sie es. Er arbeitete in Schönefeld, am anderen Ende der Stadt. Die S-Bahn führte zwar dahin, aber die Verbindung war zu umständlich, dafür führte die Stadtautobahn direkt vor seine Haustür.
    Der Opel tuckerte stotternd, sprang aber letztlich an und fuhr ruckelnd los. Sie drehte das Autoradio laut auf, um sich von ihren Gedanken abzulenken. Die Sorgen strömten ununterbrochen auf sie ein, jede forderte etwas anderes von ihr. Die eine wollte, dass sie darüber nachdachte, wie sie den Kollegen und ihrem Boss erklärte, wieso sie schon wieder so lange krank war. Würde sie trotzdem zur Arbeit gehen können? Woher bekam sie eine geeignete Perücke, damit es nicht so auffiel? Eine andere Sorge beschäftigte sich mit ihrer Krankenkasse und der Steuer. Was geschah, wenn Dieter wirklich demnächst die Scheidung einreichte? Würde sie dann umgestuft, musste sie mehr bezahlen?
    Irgendein Popsong im Radio handelte von Liebe und Glück. Sie schaltete auf einen anderen Sender, aber auch da trällerte jemand über die Liebe, machte einen romantischen Heiratsantrag mit Hilfe von Musik. Sie schaltete das Radio aus. Sie war von Liebe und Glück so weit entfernt wie die Erde vom anderen Ende des Universums. Stattdessen musste sie sich überlegen, wie sie am besten mit Dieter umging.
     
    Als sie in der Firma in Schönefeld ankam, stürmte sie sofort in das unscheinbare Gebäude an der Hauptstraße in der Nähe des Flughafens. Der Pförtner ließ sie freundlich nickend anstandslos durch, er kannte sie seit langem.
    Dieter schien weniger beglückt, seine Frau zu sehen.
    „Was willst du hier?“, fragte er unwillig.
    „Du hast dein Handy ständig ausgeschaltet, deshalb musste ich herkommen. Es ist dringend.“
    „Dass das Telefon ausgestellt ist, hat seinen Grund“, knurrte er. „Ich bin beschäftigt.“ Er deutete auf einen Haufen Papiere, der vor ihm lag und offensichtlich auf Bearbeitung wartete.
    „Wir haben heute einen Brief von der Hausverwaltung bekommen, die Betriebskostenabrechnung für das vergangene Jahr. Wir müssen über tausend Euro nachzahlen.“
    Dieter runzelte die Stirn. „Die Heizkosten sind gestiegen, das ist normal. Deshalb bist du hergekommen? Das ist kein triftiger Grund.“
    Myrtel versuchte, ruhig zu bleiben.

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