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Tempel der Träume - Der Roman (German Edition)

Tempel der Träume - Der Roman (German Edition)

Titel: Tempel der Träume - Der Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Marthens
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und sofort Mittel lockergemacht, damit es unverzüglich an seinen ursprünglichen Platz gebracht und dort instand gesetzt werden konnte.
    „Reichen Sie mir den feinen Pinsel mit der blauen Farbe, dann muss ich nicht laufend hinauf und hinab“, verlangte er von seinem Praktikanten, der inzwischen an die Leiter herangetreten war und fragend zu dem Restaurator aufschaute.
    René, der Architekturstudent im fünften Semester, der seit ein paar Monaten einen Praktikumseinsatz bei Felix Altmühl absolvierte, reichte das Gewünschte nach oben.
    Nach ein paar kunstvoll ausgeführten Strichen gab der Restaurator den Pinsel zurück, damit der Praktikant ihn erneut in die angemischte Farbe tauche.
    „Ahhhh!“ Mitten in der Bewegung hielt Felix Altmühl inne. Erstarrte. Ein qualvolles Stöhnen entrang sich seiner Brust. Der hauchfeine Pinsel, den er wieder aufnehmen und mit dem er die äußere Linie des blauen Tuches nachziehen wollte, das Marias Kopf bedeckte, entglitt seinen Fingern.
    Ohhhh!“ Mit der freigewordenen rechten Hand griff der bekannte Restaurator nach einer Sprosse der Stehleiter in Schulterhöhe und hielt sich krampfhaft daran fest. Die linke tastete von der Taille den Rücken hinauf, von wo der stechende Schmerz kam, der ihn nahezu bewegungsunfähig machte.
    Er hatte es kommen sehen. Erst dieses verflucht kalte Gemäuer, wo man beim Malen klamme Finger bekam, und dann der elende Durchzug, wenn seine Gesellen sich zum Rauchen aus dem Gebäude schlichen und vergaßen, die Tür hinter sich zu schließen. Rücksichtslos. Einer wie der andere. Sie nutzten die Gutmütigkeit ihres Chefs aus bis zum Letzten.
    Felix atmete vorsichtig ein und aus. Es ging besser als erwartet. Doch als er versuchte, ein Bein nach unten zu schieben, um die nächst tieferliegende Sprosse zu erreichen, spürte er den Schmerz von neuem durch seinen Körper schießen.
    Aussichtslos.
    Er blickte hinab in das nichtssagende Gesicht des Praktikanten, der den Pinsel aufgehoben hatte und ihm entgegenhielt.
    So ein Trottel, erkannte der denn nicht, was ihm geschehen war? Wohl genauso wenig wie seine unfähigen Angestellten, die inzwischen zurückgekehrt waren und anscheinend arg beschäftigt vor der Skizze des Altarbildes hockten.
    Felix biss die Zähne zusammen. Sein Versuch, das andere Bein zu benutzen, schlug ebenfalls fehl. Mein Gott, er musste hinunter! Bemerkte denn niemand, wie sehr er litt?
    „Gottlieb, Thilo, helfen Sie mir von der Leiter, ich schaffe es nicht allein, mich hat’s im Kreuz erwischt!“, keuchte er mit schmerzverzerrtem Gesicht, als er keinen anderen Ausweg mehr sah.
    Wenigstens schien bei diesen Idioten endlich der Groschen zu fallen.
    „Sofort, Meister! Das haben wir gleich!“
    Der Altgeselle sprang eilfertig auf und übernahm das Kommando der Rettungsaktion.
    Den Alten, der bei einer Größe von ein Meter fünfundachtzig an die zwei Zentner wog, hinab zu hieven, erschien ihm aussichtslos, zumal der Chef es hasste, angefasst zu werden. Statt des üblichen Händedrucks zum Arbeitsbeginn, gab es meist ein Kopfnicken und eine verbale Begrüßung, die ziemlich mürrisch ausfiel – und manchmal nicht einmal das. Während Altmühl bereits unwillig zu knurren begann, befahl Gottlieb den beiden Gesellen, die Leiter zu halten, die Schenkel zusammenzuschieben und sie ganz langsam, Sprosse für Sprosse mit ihrer Last vornüber zu senken, bis sie in der Waagerechten auf dem Boden ankäme. Er selbst stützte aus Leibeskräften die Mitte mit der stöhnenden und zeternden Last ab – und es gelang: Wenige Minuten später halfen sie dem Meister auf, der platt wie eine Flunder bäuchlings auf den Leitersprossen lag, beide Hände um die Sprossen gekrallt.
    „Hexenschuss? Wie kann denn so etwas passieren?“, fragte der Altgeselle und zwang sich zu einem besorgten Gesicht. „Damit sollten Sie aber dringend zum Arzt gehen. Mit so etwas ist nicht zu spaßen. Besonders in Ihrem Alter.“
    Die beiden Gesellen nickten unisono. „Wir schaffen das schon, Herr Altmühl. Die Ausbesserungen sind fast erledigt. Wenn die Farbe trocken ist, tragen wir die Schutzschicht auf. Das ist kein Problem“, versicherten sie eifrig. Nur der Praktikant, der den Pinsel, von dem blaue Farbe tropfte, noch in der Hand hielt und den ganzen Rettungsvorgang als Beobachter verfolgt hatte, schwieg schüchtern.
    Von dem ungewöhnlichen Abstieg genervt und nach wie vor schmerzgeplagt, fand Felix Altmühl zunächst keine Worte. Was hatte Gottlieb gesagt: in seinem

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