Tempelhyänen
nichts weiter als ein Stück Seil bekommt, an dem man sich festhält, während man im Stehen schläft.
Hierher kamen die Armen und das Fußvolk unter den Ganoven. Die Betreiber würden sich sicher nicht darum reißen, zu plaudern. Also mußte ich meinen Verstand benutzen, um was rauszukriegen.
Ich war schon mal hoffnungsvoller ans Werk gegangen.
Das Innere hielt, was das Äußere androhte. Ich betrat den schmutzigen Schankraum, in dem drei einsame Weinbrüder eifrig ihrer Beschäftigung nachgingen. Eine unsichtbare Kraft schien sie in die entgegengesetzten Ecken des Raums getrieben zu haben. Einer hielt einen ununterbrochenen, gemurmelten Monolog. Ich verstand kaum jedes fünfte Wort, aber er schien in eine heftige Debatte über Sozialfragen verstrickt zu sein. Sein Widersacher war nicht zu sehen. Außerdem hätte er ohnehin große Schwierigkeiten gehabt, sich Gehör zu verschaffen.
Ich sah keinen, der wie ein Gastwirt aussah. Und niemand reagierte auf das Klingeln der Glocke über der Tür. »Yo! Irgend jemand zu Hause?«
Auch das brachte keinen beflissenen Gastwirt dazu, seine Plackereien in der Küche kurz zu verlassen und sich um seine Gäste zu kümmern. Dafür erhob sich einer der schweigsamen Säufer von seinem Stuhl und schwankte auf mich zu. »Was brauch’s’n? ‘n Zimmer?«
»Ich suche ein paar Freunde, Schmitt und Schmittke. Sind angeblich hier abgestiegen.«
Er lehnte sich gegen den Tresen, hüllte mich in eine Wolke seines stinkenden Atems und legte sein Gesicht in einen wahren Faltenberg. »Oh. Ah ja. Dritter Stock. Letzte Tür.« Er war nicht übermäßig enttäuscht, daß ich ihm kein Geld einbringen würde.
»Danke, Kumpel.« Ich schob ihm ein paar Kupferstücke hin. »Genehmige dir einen auf meine Kosten.«
Er betrachtete die Münzen, als wüßte er nicht genau, was mit ihnen anfangen. Während er noch dem Geheimnis der Währung nachspürte, stieg ich die Treppe hoch. Vorsichtig. So, wie die Stufen knarrten und nachgaben, konnte es nur eine Frage von Stunden sein, bis sie einstürzte.
Der dritte Stock bot auch keine Überraschung. Es war mehr ein halbes Geschoß – fünf Räume unter der Dachschräge. Je zwei gingen von einem beängstigend engen Flur ab – nichts für Klaustrophobiker. Ein fünftes lag am Ende. Zwei der Zimmer hatten nicht mal Vorhänge, um so etwas wie Privatsphäre vorzutäuschen. Eines hatte eine Tür, die an einer Angel hing. Mein Ziel war eine Tür, die sich nicht schließen ließ, weil der Boden verzogen war.
Schmitts waren nicht zu Hause. Keine besondere Überraschung. Das hatte ich auch nach ihrer Begegnung mit den Schwestern nicht erwartet. Ich trat ein.
Bei welchem Plan oder welcher Verschwörung die Schmitts auch mitmachten, sie mußte schäbig sein. Sie schliefen auf Decken am Boden. Und sie hatten nicht mal Klamotten zum Wechseln dabei.
Ich durchsuchte das Zimmer trotzdem. Man weiß nie, wann etwas passiert, was die Puzzlestücke zusammenfügt.
Ich kniete gerade und suchte die Schluchten zwischen den Holzbohlen ab, als der Flurboden knarrte. Ich warf einen Blick über meine Schulter zurück.
Die Frau sah aus wie die Schwester des Toten Mannes. Es war genug da, um vier Frauen aus ihr zu machen, und selbst dann wäre noch was übrig gewesen. Wie hatte sie so nah herankommen können, ohne einen Riesenlärm zu veranstalten? Wie hatte die Treppe das überstanden? Warum stand das Haus noch? Es müßte eigentlich so kopflastig werden, daß es vornüberkippt.
»Was machst du da, Pursche?«
Sie suchte Streit, und es sah nicht so aus, als würde ich ihn vermeiden können. »Warum fragen Sie?«
»Weil ich es wissen will, Knallkopf!«
Es ist immer dasselbe.
Sie hatte eine Keule dabei, einen richtigen Nußknacker, XXL. Landete sie bei irgend jemandem einen Schlag, hinter dem ihr ganzes Gewicht steckte, konnte einem der Kerl nur leid tun.
Und es sah so aus, als könnte ich mich mal wieder in Selbstmitleid üben, wenn ich nicht ganz schnell eine geniale Idee aus dem Hut zauberte. »Wer sind Sie, verflucht? Was hat Ihre Visage in meinem Zimmer zu suchen?«
Wenn man keinen Platz hat, um Fersengeld zu geben, dann muß man sie eben mit Unverfrorenheit kaltstellen.
»Dein Zimmer? Was krakeelst du hier rum, Pürschchen? Dieses Zimmer gehört den peiden Kerlen, die sich Chmitt nennen.«
»Der Kerl, dem ich den Zaster rübergeschoben habe, sagte, ich sollte das Zimmer hier nehmen. Ich habe nur gemacht, was er mir gesagt hat. Wenn Sie damit ‘n Problem haben,
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