Tempelhyänen
natürlich. Der sicherlich auch beim Trinkgeld mitkassierte.
»Wo?«
Maya zeigte mir einen Schlitz auf der Tischplatte, der die einzige Möglichkeit war, Objekte von einer Seite der Glasscheibe auf die andere zu befördern. Ich füllte ihn mit reichlich Silberstücken. Es hatte keinen großen Weg in unserer Volkswirtschaft zurückgelegt. Ich hatte es vom Oberboß bekommen, und es würde von hier aus auch wieder bei ihm landen.
Maya drückte meinen Arm. Sie war erfreut über meine Großzügigkeit. Wahrscheinlich hatte die Frau sie um den Finger gewickelt. Ich führte sie raus.
Ein Mann kam zur Eingangstür herein, als ich die Vorhänge für Maya auseinanderschob. Ich erhaschte nur einen flüchtigen Blick auf ein kleines Schlitzauge mit einer glänzenden Glatze und einem riesigen Schnurrbart. Er blieb wie angewurzelt stehen. Maya auch, und ich prallte gegen sie. Wir verwickelten uns, und als wir uns wieder auseinanderdividiert hatten, war der Mann weg. »Was war denn los?«
»Das war der Mann, Garrett. Er hat mich erkannt.«
»Das war wer?«
»Der Kerl, der in der Wohnung war und mich über den Haufen gerannt hat.«
Der alte Mann schürte sein Feuer. Er sah nichts. Und hörte nichts.
Dieser Wicht mußte verdammt gute Augen haben, wenn er in dieser Maya die Frau erkannt hatte, die in dem Apartment gewesen war.
Ich stürmte auf die Straße – zu spät. Das Schlitzauge mußte ein Zauberer sein. Oder er war so klein, daß man ihn in der Menge einfach nicht sehen konnte.
Hier ist jede Nacht Volksfest angesagt. Ich muß zugeben, daß es nicht immer nur um Hurerei und Skandale geht. Es gibt auch zahmere Vergnügungen. Zwei Türen weiter war eine Spielhalle, in der man ein beliebtes Zahlenlotto spielte. Eine Vorhut vorwiegend älterer Leute kam gerade an. Aber Skandale sind die Achse, um die sich der Pfuhl dreht, und das Elend dort überwiegt die unschuldigen Vergnügungen bei weitem.
Ich fragte meine Schutzengel, ob sie den kleinen Kerl nicht vielleicht gesehen hatten. Sie wußten nicht, wovon ich redete. Ich fragte den Koberer. Er hatte nichts gesehen und redete zuviel. Ich war verärgert. »Morgen komme ich wieder«, sagte ich. »Wir können uns unterhalten, wenn du nicht so unter Druck stehst.«
»Ja, sicher, klar. Keiner soll sagen, ich würde nicht mit der Gilde zusammenarbeiten.«
Genervt klemmte ich mir Maya unter den Arm und trollte mich nach Hause.
39. Kapitel
Wir schwiegen eine Zeitlang. Plötzlich fiel mir was ein, und ich änderte abrupt die Richtung.
»Was machen wir jetzt?«
»Ich hätte fast vergessen, daß Morpheus mich sehen wollte.«
»Oh. Prinz Charming.«
»Er wird dich heute abend ansehen, daß du ihn dir am liebsten mit einem Stock vom Leib halten willst.«
Sie sah mich von der Seite an. »Danke für das Kompliment. Falls es eins war.«
Einen halben Block weiter sagte sie: »Eigentlich wollte ich dich heute abend verführen. Aber das geht jetzt nicht mehr.«
»Ehm …?« Privatdetektive sind schnell zu Fuß und außerordentlich schlagfertig.
»Wenn ich es täte, würdest du nicht mit mir schlafen. In Gedanken wärst du bei ihr.«
»Wer ›ihr‹?« Nun sieh mal an. Der Junge ist so schnell, daß man nicht mal sieht, wie er sich bewegt.
»Polly. Die Elfenfrau.«
»Ach die. Die? Die hab ich schon vergessen.« Ich log, daß sich die Balken bogen!
»Und der Mond ist aus grünem Käse gemacht.«
»Das behaupten die Experten jedenfalls. Aber da du sie ja nun schon mal zur Sprache gebracht hast: Was hat sie gesagt?«
»Ich konnte nicht deutlich werden, weil ich ihr nicht sagen wollte, was wir vorhatten. Möglicherweise erzählt sie es Hester. Ich glaube, du hast recht. Eins der Mädchen könnte Hester sein. Die Beschreibung paßt jedenfalls. Polly mag sie nicht besonders. Polly ist irgendwie prüde.«
»Prüde?« Ich lachte.
»Da läuft alles unter der Devise: ›anstarren erlaubt, anfassen verboten‹ Garrett. Polly sagt, ihre Stammkunden wollen einfach nur mit jemandem reden, der schön anzusehen ist. Jemand, der zuhören und mitreden kann und der keine Bedrohung ist. Sie sieht ihre Kunden eigentlich nie. Sie sagt, einige von ihnen müssen sehr wichtige Männer sein, aber sie weiß nicht, wer sie sind. Sie trifft sich draußen nie mit ihnen. Einige der anderen Mädchen schon. Polly behauptet, sie wäre noch Jungfrau.«
Maya konnte das kaum glauben. Und ich wollte nicht mal drüber nachdenken.
Sie war eine seltsame Nummer, diese Show, aber ich konnte mir
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