Temptation 4: Weil ich dir gehöre (German Edition)
an seine Geste. Kaum zwei Stunden ist es her.
Stellen wir uns Signora Louise (Ludwika) Brzezinska vor. Es ist das Jahr 1929, und sie sieht aus wie Louise Brooks. Die Schauspielerin und sie sind verwandte Seelen. Es sind Frauen, die ihre Sexualität, ihre Sinnlichkeit und ihre Leidenschaft ausleben möchten. Entgegen dem Besitzanspruch ihres Ehemannes kann sie nicht nur mit ihm leben. Deshalb geht sie ganz bewusst Risiken ein. Sie wird eine andere Louise. Sie schlüpft in die Rolle von Belle in ihrem ganz eigenen Schauspiel. Seit ihre Leidenschaft für Sex entbrannt ist, lässt sie sich nicht mehr eindämmen.
Das erste Mal geschah es aus purem Zufall. Sie war auf dem Weg zu einem Kostümfest. Ihr Ehemann befand sich auf Reisen, und sie beschloss, mutig zu sein und allein hinzugehen. Sie hatte sich schon so lange auf dieses Fest gefreut. Ihr Leben war unerträglich eintönig geworden. Jeden Tag war sie nur mit dem Haushalt und den Bedürfnissen ihres Ehemannes beschäftigt. Außer in die Kirche gingen sie niemals aus. Das Fest bot ihr eine kleine Flucht, vor allem, weil sie sich verkleiden konnte, was sie sehr gern tat. Es gefiel ihr, sich in eine andere Frau zu verwandeln.
Sie beschloss, etwas Gewagtes zu tragen, ihr Mann war schließlich nicht zu Hause, um es zu verhindern. Als Vorlage diente ihr das Bild einer amerikanischen Filmpostkarte, die sie von einem Geschäftskollegen ihres Mannes erhalten hatte. Sie zeigte eine junge Frau in einem ägyptischen Kostüm. Seit man vor ein paar Jahren das Grab Tutanchamuns entdeckt hatte, faszinierte Louise die ägyptische Bilderwelt. In der Bibliothek ihres Mannes hatte sie einige Bücher über alte ägyptische Götter entdeckt – dunkle, bedrohliche Gestalten, halb Mensch, halb Tier. Stundenlang hatte sie Horus und Thoth mit ihren Vogelköpfen betrachtet und den Finstersten von allen, Anubis. Er war halb Mensch, halb Schakal, ein Wächter des Todes, der dennoch unglaublich anziehend wirkte. Nach einsamen Tagen, die sie die ganze Zeit über den Büchern verbracht hatte, träumte sie nachts von Anubis. Von seinem wunderbaren Hundegesicht, wie er fauchte, leckte und biss. Gleichzeitig drang er mit seiner menschlichen Hälfte in sie ein und befriedigte sie auf eine Weise, wie ihr Mann es niemals vermochte.
Weil Anubis sie mit seinem verführerischen und zugleich grausamen Wesen reizte, wollte sich Louise in jener Nacht als Ägypterin verkleiden. Von ihrer Schneiderin hatte sie sich ein glänzendes Kostüm nähen lassen, das aus einem langen durchsichtigen Kleid aus schwarzem, mit goldenen Perlen besticktem Chiffon bestand. Darüber trug sie einen cremefarbenen Seidenrock, der sich in der Mitte teilte und der in der Taille von einem kostbaren goldenen Damastschal gehalten wurde, der unter ihrem Gesäß entlangführte und es dadurch betonte. Das Oberteil aus dunkler Seide war auf beiden Seiten bis zur Taille geschlitzt. Darüber saß eine Art Büstenhalter, über und über mit goldenen Perlen bestickt. Um ihren schwarzen Bubikopf hatte sie sorgfältig ein goldenes Band befestigt. Ihr Aussehen war mehr als gewagt. Louise fand es wundervoll.
Eigentlich hatte sie vor, mit ihrem privaten Boot über den Kanal zum Fest zu fahren. Doch die Nacht war mild, und so entschied sie sich im letzten Augenblick dagegen. Ihr Mädchen Pina bestand darauf, dass sie eine leichte Stola um die Schultern legte. Sie fürchtete, dass die freizügige Kleidung ihrer Herrin zu skandalös war. Sie hatte sie angefleht, einen ihrer Pelze überzuziehen, doch das fand Louise zu warm.
Während sie durch Venedig lief, lauschte Louise dem Klappern ihrer Absätze auf dem Kopfsteinpflaster. Sie ging gern in der Stadt spazieren. Sehr zum Ärger ihres Ehemanns verschwand sie oft stundenlang.
Um nicht zu früh auf dem Fest zu erscheinen, wählte sie an jenem Abend sogar eine längere Strecke. Es war ein recht einsamer Weg durch die Stadt, und ihr Mann würde ihr leichtsinniges Verhalten sicher missbilligen, doch ein Teil von Louise weigerte sich schlicht, ihrem Mann zu gehorchen. Auch wenn er es niemals erfahren würde, verschaffte ihr das kleine Aufbegehren Genugtuung.
Als sie gerade den Campo San Polo passiert hatte, blieb sie auf einer der kleinen Brücken stehen und legte die Hände auf die Brüstung. Von hier aus konnte sie ein Stück des Canal Grande erkennen. Das Straßennetz Venedigs wirkte wie die Zweige eines Baumes, die sich vor einem Himmel aus Wasser erstreckten. Manchmal fühlte sie sich einsam in
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