Tempus (German Edition)
surrend ihre Kreise.
Ich ließ das schöne Gefühl aus meinem Traum noch ein wenig nachwirken, dann sprang ich aus dem Bett, wusch mich und schlüpfte in meine Sachen. Zwei Stufen auf einmal nehmend und vor mich hinsummend lief ich die Treppe hinunter. Erik und Hedda saßen bereits in der Küche und sahen mich neugierig an, kommentierten meinen Stimmungswechsel jedoch mit keinem Wort. Ich war ihnen dankbar dafür. Seit langer Zeit frühstückten wir wieder gemeinsam. Es war beinahe wie früher. Erst jetzt merkte ich, dass mir etwas gefehlt hatte.
Nach einer Schale Müsli, einem Becher Kaffee und einer mehr oder weniger belanglosen Unterhaltung mit meinen Eltern fuhr ich mit dem Bus zur Schule. Während der gesamten Fahrt schaute ich aus dem Fenster. Wenigstens tat ich so. In Wirklichkeit musterte ich mein Spiegelbild. Es war ein wenig verzerrt, doch es lächelte. Ich lächelte zurück.
Agnes fing mich im Treppenhaus ab. Als ich ihre angespannte Miene sah, machte sich meine gute Laune augenblicklich aus dem Staub. Zurück blieb nur die Erinnerung daran, wie schön es war, sich gut zu fühlen.
»Am besten, du beachtest sie gar nicht«, flüsterte Agnes mir zu. Ich sah sofort, was sie meinte. Dennis, Ole, Malte und Linn hatten sich vor der Tür unseres Klassenzimmers in einer Reihe aufgestellt. Jeder von ihnen hielt eine Banane in der Hand, schälte sie demonstrativ und biss hinein. Ein paar Schüler standen um sie herum und feixten, was Dennis dazu ermunterte, wie ein Affe »Uuhh-aaahh-uuuhhhh« zu rufen und sich mit den Fäusten auf die Brust zu trommeln. Ich schlängelte mich ins Klassenzimmer, ohne sie eines Blickes zu würdigen und setzte mich auf meinen Platz. Agnes folgte mir in sicherem Abstand in Begleitung von Herrn Berglund, unserem Schwedisch- und Geschichtslehrer.
Herr Berglund war ein netter, harmloser Mann, den niemand besonders ernst nahm. Ich hatte keine Ahnung, ob er mitbekommen hatte, was eben vor der Tür geschehen war. Letztlich spielte es auch gar keine Rolle, da er ohnehin nicht eingegriffen hätte. So gesehen, hielt sich seine Nettigkeit in Grenzen.
»Wie schon angekündigt, verteile ich heute die Referatsthemen«, sagte Herr Berglund, nachdem im Klassenzimmer endlich Ruhe eingekehrt war. Er räusperte sich mehrmals. »Ihr wisst, es geht um große Persönlichkeiten der Geschichte. In den nächsten vier Wochen sollt ihr euch mit den Personen vertraut machen, die ihr gleich zugelost bekommt. Eure Aufgabe wird es sein, Informationen über sie zu sammeln, sie auszuwerten und neu zu Papier zu bringen. Denkt auch daran, euch mit dem sozialen Umfeld der jeweiligen Person zu beschäftigen. Das ist wichtig! Und bitte nicht einfach nur was aus dem Internet runterladen und zusammenkopieren! Das ist nicht Sinn und Zweck der Übung. Gibt es dazu noch Fragen?«
Niemand meldete sich.
»Gut, ich lasse jetzt einen Karton mit Zetteln herumgehen. Jeder nimmt sich bitte einen heraus. Auf den Zetteln steht euer Referatsthema. Die Themen beziehungsweise Persönlichkeiten, die ihr zieht, werden nicht getauscht, haben wir uns verstanden?! Wie gesagt: Das Referat muss in vier Wochen fertig sein. Dann können wir uns vor den Sommerferien noch ein paar anhören. Alles klar?«
Wieder reagierte keiner. Die meisten guckten gelangweilt. Dennis gähnte für alle hör- und sichtbar.
»Okay, während der restlichen Stunde möchte ich mit euch gemeinsam erarbeiten, wie ein Referat aufgebaut sein sollte«, fuhr Herr Berglund fort.
Ich hörte nicht weiter zu, sondern faltete gespannt den Zettel auseinander, den ich gerade aus dem Karton gefischt hatte. Auf dem kleinen weißen Blatt Papier stand: Julius Cäsar.
Literatursuche mit Folgen
Wen hast du gezogen?« Kurz vor der Bushaltestelle holte Agnes mich ein. Ich hatte als eine der ersten das Klassenzimmer verlassen, kaum dass die letzte Schulstunde vorüber war.
»Julius Cäsar. Und du?«
»Ghandi! – Bist du zufrieden mit deinem Thema?«
Ich zuckte mit den Achseln.
»Ich bin froh, dass ich Ghandi habe. Gewaltloser Widerstand, Toleranz und so. Das ist echt interessant. Damit kann ich was anfangen. – Fährst du jetzt nach Hause?« Sie strich sich eine braune Locke aus ihrem sommersprossigen Gesicht.
»Nein, ich will noch in die Stadt – in paar Buchläden gehen. Wegen ’ner Biografie über Cäsar«, antwortete ich.
»Guck doch im Internet nach. Bei Wikipedia findet man fast alles.«
»Schon klar. Aber du hast ja gehört, was Berglund gesagt hat. Man weiß
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