Tender Bar
Vermögen wieder herzustellen, kam der arme Kerl ins Publicans, und die Barkeeper riefen: »Achtung allesamt – Mr Weekend ist da!« Sie nahmen seine Autoschlüssel, während er seine Krawatte löste, und in den nächsten achtundvierzig Stunden tanzte Mr Weekend auf Stühlen, wirbelte um Stangen und sprang über Tische, sang dabei »Danny Boy«, und aus irgendeinem Grund machte er irgendwann Stützstrecken, bevor er in der dritten Sitznische von der Tür den Geist aufgab, als wäre es ein Schlafwagenplatz in einem Nachtzug. Ich dachte oft daran, mich ihm vorzustellen – Mr Weekend? Ich bin Mr Salty – aber man konnte gar nicht mit ihm reden. Man konnte nur die Uhr nach ihm stellen, und so sicher es war, dass er Freitagabend kam, konnte man sich darauf verlassen, ihn Montag morgens zu sehen, wie er ordentlich angezogen die Plandome Road entlang ging, um den Frühzug zu erwischen. In dem Moment war schwer zu sagen, ob er aussah wie Mr Weekend, der schlafwandelte, oder wie Mr Weekend, der gerade aus einem Alptraum erwacht war.
Die wenigsten Gäste im Publicans wussten es, doch am schlimmsten unter uns hatte der Börsenkrach Steve getroffen. Seine Bar in Lower Manhattan lief nicht gut. Steve hatte sich das Projekt eines noblen Publicans on the Pier zu einer Zeit ausgedacht, als die Leute Champagner als Mundwasser benutzten – jetzt aber sammelten alle wieder Coupons. Das Letzte, wonach den Leuten der Sinn stand, war ein saftiges überteuertes Steak und eine gute Flasche überteuerten Weins. Er stand kurz davor, Millionen zu verlieren, und wenn die Banken mit harten Bandagen spielten, vielleicht sogar sein Haus. Aber seinen wertvollsten Aktivposten hatte er schon verloren: sein Selbstvertrauen. Die Bar in Manhasset war ja schön und gut gewesen, aber Steve hatte auf der großen Bühne reüssieren, ein Spieler sein, in die Profiliga aufsteigen wollen. Dieses Denken war vermutlich auf den Wohlstand zurückzuführen, den er täglich im Publicans sah. Er war von seinen eigenen Gästen korrumpiert worden. Er hatte erlebt, wie Aberhunderte Menschen im Publicans ihr Glück feierten, und dann irgendwann beschlossen, dass es schön wäre, bei der Party mitzumischen und nicht immer nur den Gastgeber zu spielen. Das Publicans on the Pier war seine Chance. Er hatte es sich leicht vorgestellt und damit sich selbst überfordert; jetzt scheiterte Steve zum ersten Mal in seinem begnadeten Leben, und zwar total, und das Publicans on the Pier war das Denkmal seines Scheiterns. Da stand es am Ende des Piers, leer wie ein Grab. Ein sehr gut beleuchtetes Grab, für das er fünfundvierzigtausend Dollar Monatsmiete zahlte.
»Steve sieht nicht gut aus«, sagte ich ein paar Tage vor meiner Pro-bezeit zu Onkel Charlie.
Wir drehten uns beide um und beobachteten Steve, der am Ende der Theke stand – wütend, wacklig und benebelt. Kein strahlendes Lächeln. Nicht die Spur eines Lächelns.
»Er sieht aus«, sagte Onkel Charlie, »wie Hagler in den letzten Runden.«
Am ersten Tag im Jahr 1989 war ich der Erste in der Redaktion. Ich trug neue Hosenträger und eine farblich passende Krawatte – Weihnachtsgeschenke meiner Mutter. Meine Schuhe blitzten, meine Haare glänzten, meine Bleistifte waren spitz wie Spikes. Die Redakteure beauftragten mich mit einer Geschichte über einen umstrittenen Bebauungsplan auf der East Side, und ich stürzte mich darauf, als handle es sich um Watergate. Erst kurz vor Redaktionsschluss und weil ich Angst hatte, die Geschichte könnte ein diffuses Geschwafel sein, lieferte ich achthundert Wörter ab. Das Ganze las sich wie ein Werk von Fuckembabe. Die Redakteure nahmen viele Korrekturen vor – drastische, radikale Korrekturen im Stile Professor Luzifers – und versteckten die Geschichte irgendwo im Lokalteil.
Auf der Rückfahrt im Zug nach Manhasset sagte ich mir, dass ich eine Methode finden musste, um vor Redaktionsschluss nicht in Panik zu geraten. Ich stellte mir Cager vor, der zum letzten Stoß in einem hochkarätigen Billardspiel anlegte. Ich stellte mir McGraw vor, der sich anschickte, einen angetäuschten Fastball zu werfen, während alle Bases besetzt waren und das Spiel auf der Kippe stand. Ich stellte mir Bob the Cop vor, wenn er eine weitere Leiche barg, und Onkel Charlie, der wie ein Flamingo tanzte, während Gangster sein Ableben planten, und Joey Ds ernstes Gesicht, wenn er einen Betrunkenen vermöbelte. Lockerbleibenkleinerimmerlockerbleiben. Ich stellte sie mir alle vor, und es half. Gegen
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