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Tender Bar

Tender Bar

Titel: Tender Bar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J.R. Moehringer
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Glassplitter lagen verstreut auf dem Holzfußboden. Als ich Magdalenas Mutter rief, hörte ich ein Wimmern aus dem Schlafzimmer. Ich rannte durch den Flur. Die Mutter lag auf dem Bauch in einem völlig durchwühlten Schlafzimmer. Ich kniete mich neben sie und fragte, ob alles in Ordnung sei. »Ich alle anrufen«, sagte sie. »Keiner zu Hause! Keiner mich liebt!«
    Sie hielt den Hörer in einer Hand, ihr Adressbuch in der anderen und trat um sich wie ein Kind, das einen Wutanfall hat.
    »Sie waren das?«, fragte ich. »Sie haben die Wohnung verwüstet?«
    »Ich alle anrufen!«, heulte sie, und die Wimperntusche lief ihr in Strömen über die Wangen. Sie warf das Adressbuch an die Wand. »Keiner kümmert sich Dreck um mich!«
    Erleichtert, dass sich niemand an ihr vergangen hatte, eilte ich in die Küche und holte ihr ein Glas Wasser. Ich hörte noch mehr Glas zersplittern, und mir wurde klar, dass sie sich verletzen könnte. Auf dem Kühlschrank lag die Nummer von Magdalenas Freund. Ich rief an und sagte, dass es ihrer Mutter nicht gut ginge und sie besser nach Hause kommen solle. Sie fragte gar nicht erst, was Ios war, woraus ich schloss, es war nicht der erste Vorfall dieser Art mit ihrer Mutter.
    Magdalena kam zusammen mit ihrem Freund, der sich unbeteiligt in die Ecke stellte, während sie zu ihrer Mutter kroch. »Mutter?«, sagte sie. »Mutter, was ist denn los?« Inzwischen brabbelte ihre Mutter nur noch vor sich hin. Magdalena wählte den Notruf, und schon bald füllte sich die Wohnung mit Polizisten und Sanitätern. Sie sahen sich um, und vielleicht fiel ihnen auf, genau wie mir, dass die verwüstete Wohnung Bilder wachrief, die tagelang über den Bildschirm geflimmert waren. »Wer sind Sie?«, fragte mich ein Polizist.
    »Ich wohne zur Miete im Bade – im Gästezimmer.«
    Alle versammelten sich um die am Boden liegende Mutter, die ihr Adressbuch in Stücke riss, und die Stücke dann in noch kleinere Stücke. Als ein Polizist sie fragte, was ihr fehle, gab sie ihm die gleiche Antwort wie mir. Sie habe alle angerufen, die sie kannte, und einen Menschen gesucht, mit dem sie über Hurrikan Hugo reden könne, aber keinen gefunden.
    »Sollen wir sie ins Krankenhaus bringen?«, fragte ein Polizist Magdalena.
    »Krankenhaus?«, kreischte die Mutter. »Ihr mich nicht bringen in Krankenhaus, blöde Niggerarsche!«
    Und das war’s. Die Polizisten traten einen Riesenschritt zurück, die Sanitäter fielen mit einer Zwangsjacke über die Mutter her. Sie schlug um sich, kratzte, wehrte sich, doch nach zehn Sekunden war sie gefesselt. Hugo krächzte, Magdalena weinte, der Freund schwieg, und ich sprang beiseite, als die Sanitäter die Mutter auf ihre Schultern hievten und sie wie einen Weihnachtsbaum am Neujahrstag zur Tür hinaustrugen. Man brachte sie ins Bellevue.
    Magdalena, der Freund und ich setzten uns an den Küchentisch. Ich sagte ihr, wie leid mir das mit ihrer Mutter tat, musste ihr aber nicht eröffnen, dass ich auszog. Sie wusste es. Der Freund wusste es. Hugo wusste es.
    »Wirklich?«, fragte sie. »Was hast du vor? Bebe meint, du hast keinen, zu dem du gehen kannst.«
     
     
     
42 | STEVE
     
    Ich schlief mehrere Wochen bei Bebe auf der Couch, bevor ich wieder nach Manhasset zog, zurück zu Opa. Hurrikan Ruth hatte sich mittlerweile auf eine Bö abgeschwächt. Meine Tante gab sich relativ ruhig und ließ mich in Ruhe, und auch ich war wieder gelassener. Der Anblick von Magdalenas Mutter in der Zwangsjacke hatte sich ernüchternd auf mich ausgewirkt.
    Zudem empfand ich es als tröstlich, nur 142 Schritte vom Publicans entfernt zu sein. In der Bar war es nie schöner gewesen als in diesem Herbst. Jeden Abend gab es eine andere Bürofeier oder Familienzusammenkunft, oder aber es stieß eine ungewöhnlich amüsante Gruppe von Leuten aufeinander. Am ersten Abend im November konnte ich mich kaum durch die Tür zwängen. Eine solide Mauer von Menschen. Ständiges Gelächter. Der einzige ernste Mensch war Steve, der eben vom Bowlen gekommen war und mitten in der Menge stand. Ich sah, wie er an der Theke lehnte, als würde er oder sie gleich zusammenbrechen, und allem Anschein nach starrte ich ihn zu offen an, denn er blickte auf, als hätte ich ihn angesprochen.
    Er lächelte, allerdings nicht strahlend wie sonst. Irgendetwas stimmte nicht mit diesem Lächeln, auch wenn ich es auf die Entfernung hin nicht festmachen konnte. Er winkte mich zu sich.
    Wir unterhielten uns über McGraw, der uns beiden fehlte, dann

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