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Tender Bar

Tender Bar

Titel: Tender Bar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J.R. Moehringer
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den er erfunden hatte (ein Bier, Marke Rolling Rock und ein Grand Marnier zum Runterspülen). Er behauptete, der Drink habe magische und medizinische Kräfte, die Liebeskummer heilten. Auch Jimbo hatte eine Sidney, eine College-Studentin, die ihm das Herz gebrochen hatte.
    »Jimbo«, sagte ich und legte ihm eine Hand auf die Schulter. »Du musst mir einen großen Gefallen tun.«
    »Raus damit.«
    »Ich kann das Geschrei keine Nacht länger aushalten. Ich muss hier weg.«
    Ohne zu zögern, ließ er seinen halbvollen Drink stehen und ging mit mir zu Opa.
    Unterwegs schielte ich aus den Augenwinkeln zu Jimbo. In diesem Sommer hatte ich viel Zeit mit ihm verbracht und ihn besser kennen gelernt, ich vertraute ihm. Ich hätte ihm gern dafür gedankt, dass er in seinem getreuen Jeep immer zur Stelle war, und ihm gern gesagt, dass an den Türen eigentlich ein rotes Kreuz sein müsste. Ich wollte ihm sagen, wie viel er mir bedeutete, dass er wie ein Bruder für mich war und ich ihn sehr gern mochte, doch ich hatte meine Chance verpasst. Unter Männern konnten solche Dinge nur an der Bar ausgesprochen werden.
    Als wir nach hinten ins Schlafzimmer gingen, sah Jimbo sich um und fragte: »Wie willst du die Sache angehen?«
    »Ich packe, als würde das Haus brennen.«
    Jimbo fuhr mich zu der Adresse, die Bebe mir gegeben hatte, und half mir, meine Sachen nach oben in die Wohnung tragen. Da er in der zweiten Reihe parkte, hatten wir keine Zeit für langes Abschiednehmen. Wir standen auf der Straße und umarmten uns, so eine Ansteckende-Krankheit-Umarmung, wie sie bei jungen Männern verbreitet ist.
    »Komm bald wieder«, sagte Jimbo und fuhr langsam los.
    Ich sah zu, wie sein Jeep im Verkehr verschwand.
    »Mach ich«, sagte ich. »Ganz bestimmt.«
    Bebes Freundin, eine Jurastudentin an der Columbia, hieß Magdalena und leitete fast jeden Satz mit einer rhetorischen Ein-Wort-Frage ein.
    »Ehrlich?«, sagte sie und öffnete die Tür zu meinem Zimmer. »Genau genommen ist es gar kein Zimmer, sondern ein umgebautes Wasserklosett.«
    »Was ist ein Wasserklosett?«
    »Echt? Ein Bad. Aber es hat ein Bett und ein – na ja, ein Bett eben. Aber es ist echt gemütlich, wie du siehst.«
    Ich versicherte ihr, dass es ein sehr gemütliches Bad war.
    Sie erklärte mir, dass sie meistens bei ihrem Freund übernachten würde. Dann drehte sie sich um und wies auf ihren Freund, als wäre er Beweisstück A. Er verhielt sich so still, dass ich seine Anwesenheit ganz vergessen hatte.
    »Du meinst, ich habe die Wohnung für mich allein?«, fragte ich.
    »Ja«, sagte sie. »Natürlich könnte meine Mutter manchmal vorbeikommen.«
    Ihre Mutter lebte in Puerto Rico, flog aber manchmal nach New York, um einzukaufen und Freunde zu besuchen. Sie schlief auf Magdalenas Sofa. »Ehrlich?«, sagte Magdalena. »Sie ist still wie ein Mäuschen.«
    Ich dankte Magdalena, dass sie mich so kurzfristig aufgenommen hatte und sagte, ich würde nur noch duschen und dann ins Bett gehen.
    »Wirklich?«, sagte sie. »Fühl dich wie zuhause. Wenn du irgendwas brauchst, wir sind in der Küche.«
    Das funktionierende Bad lag auf der anderen Seite der Wohnung. Um von meinem Bad/Schlafzimmer dorthin zu kommen, musste ich durch die Küche gehen. In ein Handtuch gewickelt lächelte ich Magdalena schüchtern zu und sagte scherzhaft zu ihrem Freund: »Bin nur Durchgangsverkehr.« Er gab keine Antwort.
    Ich drehte das heiße Wasser voll auf, setzte mich auf den Wannenrand und sah zu, wie der Raum sich mit Dampf füllte. Inzwischen war Jimbo vermutlich im Publicans. Onkel Charlie würde den Sambuca öffnen. General Grant würde seine erste Abendzigarre anzünden, und Cager die Kanäle durchzappen, bis er ein gutes Spiel fand. Colt stünde in der Telefonkabine, Fast Eddy und Agnes würden Abendessen bestellen, Smelly mit Fleischmessern nach faulen Hilfskellnern werfen. Ich sah mich im Spiegel über dem Waschbecken an. Kurz bevor mein Gesicht im Dampf verschwand, fragte ich mich: Ist es möglich – ist es klug – Heimweh nach einer Bar zu haben?
    Ich stellte mich unter die Dusche. Der heiße Strahl öffnete sofort meine Poren und besänftigte meine Gedanken. Ich hielt mein Gesicht ins Wasser und seufzte vor Wohlbehagen. Ein Schrei durchschnitt das Wasserrauschen. Tante Ruth. Sie war Jimbo gefolgt und jetzt stand sie im Badezimmer. Ich brüllte ebenfalls, genau wie Janet Leigh. Ich sprang zurück, rutschte aus und griff nach dem Duschvorhang, um mich zu fangen. Dabei zog ich ihn von den

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