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Tender Bar

Tender Bar

Titel: Tender Bar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J.R. Moehringer
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Dschungelbuch – zottig, brummig, mit einer großen feuchten Schnauze. Eigentlich genügte schon ein Bär im Auto – Colt, alias Yogi. Zwei Bären verwandelten den Cadillac geradezu in einen Zirkuswagen. Und als wäre Bobos Verbindung zum Dschungelbuch nicht unheimlich genug, war Wilbur auch noch schwarz und geschmeidig, ein kleiner Panther. Bobo ähnelte Balu, aber Wilbur war Baghira. Mir schwirrte der Kopf.
    Als wir auf die Schnellstraße kamen, heizte Onkel Charlie den Cadillac auf neunzig hoch, und jeder holte sein Zippo. Zigarren und Zigaretten wurden angezündet, eine Geschichte gab die nächste. Ich hörte genau zu und erfuhr von dem Nervenkrieg, den sich die Männer mit der einheimischen Polizei – Gendarmen, wie Onkel Charlie sie nannte – lieferten.
    Mindestens einer der Männer war offiziell »in Haft gehalten« worden. Ich erfuhr, dass die Barmänner im Dickens an guten Abenden tausend Dollar Reingewinn erzielten und die Bar so viel Geld brachte, dass Steve einer der reichsten Männer Manhassets wurde. Ich erfuhr, dass die Bar fünf verschiedene Softballmannschaften ins Rennen schickte, plus ein Frauenteam, Dickens Chickens, die sich nicht nur der besten Spielerinnen der Liga rühmen konnten, sondern auch der »eiskältesten Bräute«. Ich erfuhr, dass die Hälfte der Barmänner mit der Hälfte der Kellnerinnen zugange war; dass sie eine Frau an der Theke »Cher für Arme« nannten, eine andere Frau mit Bartwuchs »Sonny für Arme«; dass die Arbeit des Barmanns auch als »hinterm Zapfhahn stehen« bekannt war; dass Steve nur Männer als Barkeeper einstellte, falls es Schlägereien oder Überfälle gab, und aus demselben Grund auch immer zwei Leute im Team arbeiten ließ; dass Barmänner, die Seite an Seite arbeiteten, einen Zusammenhalt entwickelten wie Werfer und Fänger; dass ein Barmann, der sich bei einer Schlägerei ins Getümmel warf, mit den Füßen voran über den Tresen springen musste, damit er nicht k.o. geschlagen werden konnte; dass die größte Gefahr im Dickens nicht von Raufereien, Bräuten und Überfällen ausging, sondern von Katern, eine Art Erkältung, die man sich beim Trinken von Alkohol holte; dass es eine Vielzahl von Wörtern für Cocktails gab, mehr noch als für Sex, einschließlich Penny, Keule, Kurzer, Schampus, Zielwasser und Möbelpolitur.
    Ich schloss die Augen, ließ den Kopf hinten auf den Sitz sinken und spürte, wie mich die Stimmen und der Rauch einlullten. Hat zufällig jemand Mahoney letzten Freitag gesehen? Die Frage muss heißen, hat Mahoney jemanden gesehen? Der Mann war blind. Hackevoll. Dürfte am nächsten Tag einen ziemlichen Kater gehabt haben. Sollte lieber eine Kur machen. Seine alte Dame hat angeblich die Nase voll von seinen Sperenzchen. Wo hast du das denn gehört? Seine alte Dame, hehe. Du Schlampe. Du nennst mich Schlampe? Wenn ich noch ein Wort über den zweihundertsten Geburtstag Amerikas höre, fang ich zu kotzen an. Ein echter Patriot, der Junge. Seine Freundin hält ihn für einen Patrioten – weil er auf Abruf seinen Mann steht, hehe. Ich bin patriotisch, aber ich will einfach nichts mehr von Ben Franklin und Bunker Hill und Paul Revere hören. Einmal, wenn von Land, zweimal, wenn von See. Wo wir schon dabei sind, Chas, ich muss mal ins Meer pinkeln – fährt das Ding nicht schneller?
    Mit der Zeit verschmolzen die Stimmen zu einer einzigen männlichen Stimme, bis ich meinte, nur noch die Stimme zu hören. Doch diese hier war besser, denn als ich die Augen öffnete, war die Quelle, von der sie ausging, immer noch vorhanden.
    Bobo, der sich aus der Unterhaltung ausgeklinkt hatte, um die Sportseiten zu überfliegen, blickte auf und wandte sich an Onkel Charlie. »Goose«, sagte er, »was machst du heute Abend mit den Mets? Koosman wirft, und bei dem Arsch lieg ich immer falsch. Noch einen Rückschlag kann ich mir nicht leisten. Was meinst du?«
    Onkel Charlie holte sich den Zigarettenanzünder aus dem Armaturenbrett und hielt ihn geschickt an eine Marlboro. Rauch wand sich in Fäden aus seinem Mund, als er sagte: »Chas’ goldene Regel lautet: Geld auf Koos bist du los.«
    Bobo nickte bewundernd.
    Gilgo war nicht gerade der hübscheste oder einsamste Strand auf Long Island, aber ich nahm an, die Männer wollten nicht woandershin – nicht mal zum nahe gelegenen Oben-ohne-Strand –, weil Gilgo der einzige Strand mit Alkohollizenz war. Harter Staff, mitten auf dem Sand. Die Gilgo Bar war lediglich ein schäbiger Schuppen mit Kiesboden und

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