Tender Bar
kleinsten und drahtigsten zu, dem furchteinflößenden Fuckembabe, der von der Theke auf mich zutrat. Die dunkel gebräunte Haut spannte sich straff über seinen Kopf, der durch eine Kombination von kindlicher Freude und vielen Wodkas von innen zu leuchten schien. Sein Gesicht sah aus wie eine braune Papiertüte, in der innen eine Kerze tropfte. »Das ist wohl der Milchiknilchi mit der Schlaffimaffi«, sagte er, schüttelte mir die Hand und lächelte, ein ansprechendes Lächeln trotz der trockenen Lippen und gelben Zähne. »Chas«, sagte er, »der wird mir hundertprolo nicht mein Perlchen von Kerlchen verfrausausen, das sag ich dir, fuck’em, babe, fuck’em, ho ho ho.« Ich schaute hilfesuchend zu Onkel Charlie, aber er lachte und sagte zu Fuckembabe, er habe recht, vollkommen Recht. Dann drehte Fuckembabe sich mir zu und stellte mir eine Frage. »Was für ’ne krassige Sache hast’n da mit deinem bonkigen Monkel verbockt an dem miesen nonnig-sonnigen Flippiehippie?«
Mein Herz schlug schneller. »Ich bin nicht sicher«, sagte ich.
Fuckembabe lachte und tätschelte mir den Kopf. »Klick den doofen-gerissenen Blödblick weg«, sagte er.
Onkel Charlie goss sich einen Drink ein, besorgte mir einen Roy Rogers und forderte mich auf, mich selbst zu beschäftigen, weil er und die Männer noch telefonieren müssten. Ich hüpfte auf einen Barhocker, drehte mich langsam im Kreis und sah mir die Bar in allen Einzelheiten an. Von Holzleisten über der Theke hingen verkehrt herum Aberhunderte Cocktailgläser, in denen sich das Licht im Barraum fing und wie in einem riesigen Kronleuchter spiegelte. Auf einem zwölf Meter langen Bord hinter der Theke standen in allen erdenklichen Farben unzählige Flaschen, die ebenfalls das Licht auffingen und sich oben in den Gläsern spiegelten. Insgesamt entstand der Eindruck, als wäre man in einem Kaleidoskop. Ich fuhr mit der Hand über den Tresen. Massive Eiche. Acht Zentimeter dick. Einer der Männer sagte, das Holz habe erst kürzlich ein paar Dutzend frische Lackschichten bekommen, und das sah man. Die Oberfläche war ein bräunliches Orangegelb, wie das Fell eines Löwen, und ich streichelte es zärtlich. Ich bewunderte das Fertigparkett, das Millionen von Schritten glatt poliert hatten. Ich studierte mein Spiegelbild in den altmodischen silbernen Registrierkassen, die aussahen, als stammten sie aus einem Gemischtwarenladen in der Prärie. Mit derselben Erregung und Verzückung, die ich normalerweise empfand, wenn ich Tom Seaver spielte, gab ich mich jetzt der Vorstellung hin, die bekannteste Person im Dickens zu sein. Der Laden war brechend voll. Es war spätabends. Ich erzählte eine Geschichte und alle hörten zu. Ruhe allesamt – der Kleine erzählt eine Geschichte! Nur mit meiner Stimme und meiner Geschichte hielt ich alle im Bann. Ich hätte gern eine Geschichte gewusst, die gut genug war, um irgendwen in Bann zu halten. Ich fragte mich, wie Oma im Dickens ankommen würde.
Die hintere Bar bestand aus zwei großen hochformatigen Bildern aus Buntglas. Bobo tauchte neben mir auf und sagte, ich solle sie nicht zu genau ansehen. »Warum nicht?«, fragte ich.
»Fällt dir was an ihnen auf?«, fragte er und warf sich eine Maraschinokirsche in den Mund.
Ich beugte mich vor und kniff die Augen zusammen. Mir fiel nichts auf.
»Crazy Jane hat die Bilder entworfen«, sagte Bobo. »Eine Freundin von Steve. Erkennst du nichts in dem Bild hier?«
Ich starrte das linke Bild an. War das möglich? »Ist das ein …?«
»Penis?«, ergänzte er. »Worauf du dich verlassen kannst. Dann ist das auf dem anderen Bild …«
Ich hatte keine Ahnung, wie eine aussah, aber logischerweise konnte es sich nur darum handeln. »Eine Frauen …?«
»Genau.«
Peinlich berührt fragte ich, was im hinteren Raum sei.
»Der ist für besondere Ereignisse reserviert«, sagte er.
»Junggesellenpartys, Familienfeiern, Klassentreffen, Weihnachtsfeiern, Pizzaessen nach den Little-League-Spielen. Und Fischkämpfe.«
»Tischkämpfe?«
»Fischkämpfe«, sagte Colt, der auf meiner anderen Seite erschien.
Die Barmänner, erzählte Colt, setzten oft zwei siamesische Kampffische in eine Schale und wetteten, wie es ausging. »Aber die Fische«, sagte Colt traurig, »werden oft müde, und das nennen wir dann Unentschieden.«
Onkel Charlie kam aus dem Keller und schaltete die Anlage ein. »Ah«, sagte Bobo. »›Summer Wind.‹«
»Toller Song«, sagte Onkel Charlie und drehte die Lautstärke auf. »Ich mag
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