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Tender Bar

Tender Bar

Titel: Tender Bar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J.R. Moehringer
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mir in meinem wie ein kleines Mädchen vor. Die Männer ließen sich auf die Stühle plumpsen und ihre gewaltigen Leiber von der Sonne trocknen. Mit nassen Fingern zündeten sie sich Zigaretten und Zigarren an und ächzten wohlig, als der Rauch ihre Lungen füllte. Ich rauchte ebenfalls – ein Krabbenbein war meine White-Owl-Zigarre.
    Erfrischt vom Schwimmen, stellten die Männer ihre Stühle im Kreis auf, schlugen die Zeitungen auf und eröffneten eine lebhafte Gesprächsrunde über die Ereignisse des Tages, ihr Geplauder drehte sich wie ein Karussell um mich. Was haltet ihr von dieser Patty Hearst? Das ist vielleicht ’ne verrückte Nudel. Kann sein, aber vögeln würde ich sie trotzdem. Würdest du sie auch vögeln, wenn sie ein Maschinengewehr hält? Na klar, dann erst recht, ha. Du bist pervers. Apropos, vielleicht setze ich heute Abend zehnmal auf die Mets. Irgendwann muss Koos doch auch mal gewinnen, oder? Der verdammte Penner. Geld auf Koos bist du los. Trag mich mal in dein kleines Buch ein, fünfmal die saftlosen Mets. Wie zum Teufel hat Foreman es geschafft, Frazier zu stoppen, kann mir das mal einer erklären? Der beste Fighter, den ich jemals gesehen habe, war Benny Bass. Ja doch, mein alter Herr hat gesehen, wie er den Titel an Kid Chocolate verlor. Ach du Scheiße, in Beirut ist die Hölle los. Reagan sagt, er weiß die Antwort. Himmel, was ist dann wohl die Frage? Dieser Foreman hat vielleicht einen rechten Haken. Mit dem könnte er einen Zug stoppen. Habt ihr gelesen, wo der Urgroßenkel von Nathan Hale dieses Wochenende geheiratet hat? Gebt mir die Freiheit oder den Tod. Genau das wird der Bräutigam in ungefähr einem Monat sagen. Hört euch das an: Zwei Männer am Kennedy Airport in einem Kofferraum gefunden – die Polizei vermutet unnatürliche Todesursache. Man muss schon früh aufstehen, um die New Yorker Ordnungshüter hinters Licht zu führen. Begeisterte Kritik von Leon Uris’ neuem Roman über Irland. Kartoffelfresser versus Lotusesser. Was immer das zum Teufel heißt. Vielleicht wird das meine sommerliche Strandlektüre, ich weiß viel zu wenig über das Land meiner Ahnen. Das Land deiner Ahnen ist Queens, Dummkopf. Hey, heute Abend läuft in Roslyn Der weiße Hai, da gehen wir hin. Den Film seh ich mir nicht mehr an. Letzten Sommer hat es einen Monat gedauert, bis ich wieder ins Wasser konnte, nachdem wir ihn gesehen hatten. Du brauchst dich nicht vor Haien zu fürchten, Blödmann, bei deinem neunzigprozentigen Blut. Deine Eier sind wie Cocktailoliven – ein Biss, und der Hai ist fertig. Würde mich wirklich interessieren, woher du so viel über meine Eier weißt. Ich will dir sagen, wer fertig ist – du, wenn du Patty Hearst vögelst.
    »Wer ist Patty Hearst?«, fragte ich Onkel Charlie.
    »Eine junge Frau, die entführt worden ist«, sagte er. »Hat sich in ihre Entführer verliebt.«
    Ich sah ihn an, dann die Männer, und bildete mir ein, die Gefühle von Patty Hearst gut zu verstehen.
    Die Männer bauten eine Sonnenuhr in der Kreismitte und trugen mir auf, sie zu wecken, wenn der Schatten den Treibholzstock erreichte, den sie in den Sand steckten. Ich verfolgte, wie der Schatten vorankroch. Ich lauschte dem Schnarchen der Männer, sah zu, wie die Möwen im flachen Wasser fischten und überlegte, ob ich den Stock einfach entfernen sollte. Wenn ich den Stock aus der Sonnenuhr stoße, bleibt die Zeit stehen und dieser Tag wird nie enden. Als der Schatten den Stock erreichte, weckte ich jeden der Männer so sanft wie möglich.
    Auf der Heimfahrt sagte keiner ein Wort. Die Männer waren benebelt von zu viel Bier und Sonne. Und dennoch verständigten sie sich durch eine ausgeklügelte Mimik- und Gebärdensprache. Sie bestritten ganze Unterhaltungen mit Schulterzucken und Stirnrunzeln. Im Schulterzucken war Joey D noch besser als im Entspannen.
    Unser erster Halt in Manhasset war das Dickens. An der Hintertür blieben die Männer stehen, musterten mich, zuckten die Schultern, bis Onkel Charlie nickte und ich ihnen folgen durfte. Wir gingen in den Restaurantbereich. Links sah ich eine lange Reihe Sitznischen, die jemand als Lounge bezeichnete. Dahinter war der Barraum, wo mehrere Männer an der Theke standen. Ihre Gesichter waren noch roter als unsere, obwohl sie keinen Sonnenbrand hatten, und ihre Nasen sahen aus wie aufgereihte landwirtschaftliche Produkte – Pflaume, Tomate, Apfel, schmutzige Karotte. Onkel Charlie stellte mich jedem Mann vor, und zum Schluss wandte er sich dem

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