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Tender Bar

Tender Bar

Titel: Tender Bar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J.R. Moehringer
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denken«, sagte er und hielt sich die Hand an die Schläfe. »Der verdammte Zweierreiher hat mir den Rest gegeben.«
    »Was zum Teufel ist ein Zweierreiher?«, fragte Bobo.
    »Ein Rätsel in der Zeitung«, sagte Onkel Charlie. »Sie geben dir einen bescheuerten Hinweis, und die Antwort sind zwei Wörter, die sich reimen. Zum Beispiel Flower Power. Oder Hot Spot. Eigentlich Kinderkram. Das erste fiel mir auf Anhieb ein. Janes Vehikel. Antwort? Fondas Hondas. Aber bei den anderen bin ich ratlos. Allem Anschein nach leide ich unter einem akuten Sambuca-Hirn.«
    »Mit einem Hauch Wodka-itis.«
    »Das ist ein chronischer Zustand.«
    »Frag uns doch mal was.«
    »Okay«, sagte Onkel Charlie. »Mal sehen, wie schlau ihr Trottel seid. Donalds Abendgarderobe.«
    Bobo schloss die Augen. Joey D stocherte mit einem Stock im Sand. Colt rieb sich am Kinn.
    »Ich hasse Rätsel«, sagte Bobo. »Das Leben ist auch so schon verwirrend.«
    »Ducks Frack«, sagte ich.
    Schweigen senkte sich über mich wie ein Schatten. Als ich vom Sand aufblickte, schauten mich die Männer wie erstarrt an. Sie hätten nicht überraschter sein können, wenn Wilbur gesprochen hätte. Selbst Wilbur sah überrascht aus.
    »Der Kleine«, sagte Colt.
    »Ach du Scheiße«, sagte Bobo.
    »Gib ihm noch eins«, sagte Joey D zu seiner Maus. Gibihmnocheins! Onkel Charlie sah mich an, dann blickte er wieder in die Zeitung und las: »Fantastischer Gary.«
    Ich überlegte. »Super Cooper?«
    Die Männer warfen die Hände in die Luft und jubelten.
    Das war der Tag, an dem sich alles änderte. Ich hatte schon immer geglaubt, es müsse ein geheimes Passwort geben, um in den Kreis der Männer zu gelangen. Wörter waren das Passwort. Die Sprache legitimierte mich in den Augen der Männer. Kaum hatte ich den Zweierreiher geknackt, war ich nicht mehr nur das Gruppenmaskottchen. Natürlich bezogen die Männer mich nicht in jede Unterhaltung mit ein, aber sie behandelten mich auch nicht mehr wie eine Möwe, die zufällig in ihrer Mitte gelandet war. Ich mauserte mich von einem verschwommenen Wesen zu einer wirklichen Person. Onkel Charlie fuhr nicht mehr erschrocken in die Höhe, wenn er mich neben sich stehen sah, und die anderen Männer nahmen mich bewusster wahr, redeten mit mir, brachten mir Dinge bei. Sie brachten mir den richtigen Griff für einen Curveball bei, den richtigen Schwung für ein Neuner-Eisen, die richtige Drehung beim Footballwurf, die Tricks beim Seven-Card Stud-Poker. Sie brachten mir bei, wie man mit den Schultern zuckt, wie man die Stirn in Falten legt, wie man seinen Mann steht. Sie brachten mir Haltung bei und versicherten mir, das Auftreten eines Mannes sei seine Philosophie. Sie brachten mir bei, wie man das Wort »fuck« benutzt, schenkten mir das Wort wie ein Taschenmesser oder ein gutes Kleidungsstück, wie etwas, das jeder Junge haben sollte. Sie zeigten mir die vielseitigen Verwendungsmöglichkeiten von »fuck« : Man konnte damit Wut ablassen, Feinde verschrecken, Verbündete gewinnen und Leute zum Lachen bringen. Sie brachten mir bei, es überzeugend, heiser, ja sogar charmant auszusprechen, das Wort in seiner Fülle auszuschöpfen. Warum unterwürfig nachfragen, was los ist, sagten sie, wenn man verlangen konnte: »What the fuck?« Sie zeigten mir die vielen verbalen Rezepte, in denen »fuck« die wichtigste Zutat war. Ein Burger am Gilgo Beach schmeckte zum Beispiel doppelt so gut, wenn es ein »Gilgo fucking Burger« war.
    Alles, was mir die Männer in jenem Sommer beibrachten, fiel unter den lockeren Oberbegriff Vertrauen. Sie brachten mir bei, wie wichtig Vertrauen war. Mehr nicht. Aber das genügte. Es war, wie mir später klar wurde, alles, was zählte.
    Neben den willkürlichen Lektionen stellten mir die Männer auch spezielle Aufgaben. Sie schickten mich in die Gilgo-Bar, um Getränke und Zigaretten zu holen; oder sie ließen mich Jimmy Breslins Kolumne vorlesen; oder schickten mich als ihren Boten zu einer Decke mit attraktiven Mädchen. Ich genoss diese Aufträge als Zeichen ihres Vertrauens und legte mich ins Zeug, um sie gut auszuführen. Spielten die Männer beispielsweise Poker am Strand, war der vom Meer wehende Wind immer ein Problem und ich dafür verantwortlich, die Karten und den Einsatz auf der Decke festzuhalten. Es war eine Aufgabe für einen Tintenfisch, aber ich schaffte es, und wenn eine Karte davonflog, flog ich hinterher. Ich entsinne mich noch mit unglaublichem Stolz an die Gesichter der Männer, als ich dem

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