Tender Bar
da?«, fragte Seaver.
»Einen Baseball.«
Er nahm ihn. Tommy schob mich näher zu ihm. Ich sah, wie sich die Muskeln in Seavers Unterarm, der auf einer Höhe mit meinen Augen war, wölbten und zuckten, während er mit dem Stift über den Ball schrieb. Ich starrte auf die Nummer 41 auf seiner Brust, knapp über meinem Kopf. Als er mir den Ball zurückgab, wollte ich ihn ansehen, aber es ging nicht. »Danke«, murmelte ich in Richtung Boden.
Er entfernte sich durch den Tunnel.
»Ich bin so ein Idiot«, sagte ich zu Tommy. »Nicht mal angesehen habe ich ihn.«
»Aber das stimmt doch nicht. Du warst ungeheuer höflich. Ein perfekter Gentleman. Ich war sehr sto!z, dich vorzustellen.«
Ich trug meinen Ball wie ein Vogelei zu unseren Plätzen zurück.
»Und?«, sagte Onkel Charlie.
»Auftrag erfüllt«, sagte Tommy.
Die beiden wechselten einen Blick enormer Zuneigung.
Joey D studierte meinen Baseball und achtete darauf, ihn an den Nähten zu halten. Am liebsten hätte ich ihn umarmt, weil er so vorsichtig war, im Gegensatz zu Pat, die ihn wie einen Schneeball drehte und betatschte. »Wer zum Kuckuck ist Jason Gorey?«, sagte sie und spähte auf die Unterschriften.
»Du meinst Jerry Grote. Tom Seavers Lieblingsfänger.«
»Wer ist Wanda Marx?«
»Du meinst Willie Mays.«
»Spielt der noch? Ich dachte, der wäre im Ruhestand.«
»Ist er auch. Er ist Coach. Fährt einen rosa Cadillac.«
»Ist er Willie Mays oder Mary Kay?«
Das Spiel begann. Die Mets spielten grottenschlecht an jenem Tag, und immer wenn sie einen Fehler machten, winkte Onkel Charlie den Biermann. Er verfolgte auch die Anzeigetafel, auf der die Ergebnisse aller anderen Spiele erschienen, von denen auch keines für ihn zu laufen schien. Pat war seine Nervosität allmählich leid und von den Mets gelangweilt. Sie sagte, sie wolle nach einem Souvenir für ihren Sohn suchen. Als sie nach drei Innings immer noch weg war, ging Onkel Charlie sie suchen. Er kam allein zurück. »Verschwunden«, sagte er bedrückt.
»Sie kommt schon heim, wenn sie Hunger hat«, sagte Tommy.
»Oder Durst«, sagte Joey D.
Onkel Charlie hatte wirklich einen schlechten Tag, und ich fühlte mich schuldig, weil es für mich schon jetzt einer der schönsten Tage meines Lebens war und ich ihn überredet hatte, auf die Mets zu setzen. Um ihn von seinen Verlusten und Pats Verschwinden abzulenken, löcherte ich ihn mit Fragen. Und es schien zu wirken. Fröhlich erklärte er mir die Feinheiten des Baseball – den Schlag zwischen zwei Bases, um einen Läufer weiterzubringen; den Doppelwechsel, um einen schwachen Schlagmann zu ersetzen; geschenkte Bälle, die der Schlagmann ins Infield abtropfen lässt; wie man die durchschnittliche Trefferquote und die Laufquote gegen den Werfer berechnet. Außerdem weihte er mich in die Geheimsprache des Baseball ein. Anstatt festzustellen, dass alle Bases besetzt sind, sollte ich sagen: »Die Säcke sind voll.« Zusätzliche Innings bei Unentschieden nannte er »Bonus Cantos«. Werfer hießen »Kreisler«, Läufer »Enten auf dem Teich«, und die Fänger waren »Werkzeuge der Ahnungslosigkeit«. Einmal lobte er mich für die Wahl meines Idols. »Seaver ist ein gottverdammter Rembrandt«, sagte er, und ich war stolz, dass ich die Anspielung dank der Minuten-Biografien verstand. »Wenn Grote den Ball in der äußeren Ecke haben will, wirft Seaver ihn genau da hin. Wie einen kleinen weißen Farbfleck. Und Seavers Pinsel ist zwanzig Meter lang. Kapiert?«
»Kapiert.«
Doch auch Rembrandt konnte Onkel Charlie nicht aus der Ecke retten, in die er sich selbst an jenem Tag gepinselt hatte. Als die Mets noch mal herankamen, besserte sich seine Laune vorübergehend, doch dann kamen die Phillies zurück und hielten alle Bases besetzt. »Die Säcke sind voll«, sagte ich, um ihn aufzuheitern, aber es half nichts. Philadelphias Kraftprotz und Weitschläger, Greg »The Bull« Luzinski, schlenderte zur Home Plate und sah aus wie Steve beim Softball, ein Mann unter Knaben.
»Goose«, sagte Joey D, »ich weiß nicht, wie ich’s dir beibringen soll, aber ich hab das Gefühl, wir sehen gleich einen Raketenball.«
»Halt den Rand.«
Luzinski traf einen hoch in die Mitte geworfenen Fastball und schlug ihn Richtung linkes Outfield. Wir sprangen auf und sahen zu, wie der Ball mit lautem Knall auf die gegenüberliegende Tribüne prallte.
»Das darf nicht wahr sein«, stöhnte Onkel Charlie.
»Ich hatte so ein Gefühl«, entgegnete Joey D und zuckte die
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