Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tender Bar

Tender Bar

Titel: Tender Bar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J.R. Moehringer
Vom Netzwerk:
schüttelte den Kopf.
    »Ach, sie ist ganz allein da draußen! Aber sie bringt das Opfer, weil ihr klar ist, wie viel dir dein Cousin und deine Cousinen und deine Oma und Onkel Charlie bedeuten. Telefoniert ihr manchmal?«
    »Nein.« Ich schaute aufs Spielfeld und spürte einen Kloß im Hals. »Es ist zu teuer, deshalb sprechen wir auf Kassetten, die wir hin und her schicken.«
    »Ach! Sie muss schrecklich einsam sein!«
    Ich mache mir keine Sorgen über etwas, das nicht passiert.
    Onkel Charlie kam zurück. »Wie hast du dich entschieden?«, fragte Joey D.
    »Zehnmal auf die Mets«, sagte Onkel Charlie. »Mir war, als hätte der Kleine eine Vorahnung.«
    Joey D sah mich mit riesigen Augen an.
    »Was heißt zehnmal?«, fragte ich.
    »Kommt auf den Buchmacher an«, sagte Onkel Charlie. »Manchmal ist einmal zehn, manchmal hundert Dollar. Kapiert?«
    »Kapiert.«
    Onkel Charlie sah Tommy an und fragte, ob alles »klar« sei.
    »Alles klar«, sagte Tommy, stand auf und zog sich den Gürtelbund hoch. »Auf die Füße, Kleiner.«
    Ich hüpfte von meinem Platz.
    »Und vergiss nicht«, sagte Onkel Charlie zu Tommy. »Sein Idol ist Seaver.«
    »Chas, ich hab’s dir schon gesagt, Seaver kann ziemlich reserviert sein.«
    »Tommy«, sagte Onkel Charlie.
    »Chas«, erwiederte Tommy und runzelte die Stirn.
    »Tommy.«
    »Chas.«
    »Tommy.«
    »Chas!«
    »Es geht um sein Idol, Tommy.«
    »Und um meinen Arsch, Chas.«
    »Versuch’s einfach.«
    Tommy setzte sein bislang beeindruckendstes Stirnrunzeln auf und bedeutete mir, ihm zu folgen. Wir liefen über eine Rampe, fuhren mit einem Aufzug, gingen durch ein Tor, sprangen ein paar Stufen runter. Ein Polizist winkte uns durch eine Metalltür und in einen dunklen Tunnel, ähnlich einem Abwasserkanal. Weit vorne sah ich ein winziges Licht, das beim Näherkommen immer größer wurde. Tommy erinnerte mich mit hallender Stimme daran, nicht von seiner Seite zu weichen, ganz gleich, was passiert. Schließlich traten wir durch ein Portal in grelles Sonnenlicht, und da, überall um uns herum, war die 1976er Auswahl der New York Mets. Das Blau ihrer Uniformen blendete mich. Das Orange ihrer Mützen leuchtete wie Feuer. Sie waren nicht echt. Konnten nicht echt sein. Sie glichen den Roboter-Cowboys in Rawhide.
    »Willie Mays«, sagte Tommie und schubste mich. »The Say Hey Kid, begrüße ihn.« Er hob einen Baseball auf, der im Gras lag und gab ihn mir. Ich trat auf Mays zu und hielt ihm den Ball hin. Er unterschrieb.
    »Du solltest seinen Cadillac sehen«, sagte Tommy im Weitergehen. »Knallrosa. Echt große Nummer.«
    »Wie Onkel Charlie?«
    Tommy lachte schallend. »Ja. Genauso.«
    Er brachte mich zu Bud Harrelson und John Matlack und Jerry Koosman, die alle zusammen standen und auf ihren Bats lehnten, als wären es irische Gehstöcke. Ich war kurz davor, Koosman von Onkel Charlies goldener Regel zu erzählen, doch Tommy schob mich gerade noch rechtzeitig weiter und stellte mich dem Stadionsprecher der Mets vor, Bob Murphy, der eine Sportjacke trug, die aussah wie eine von Omas Wolldecken. Murphy lachte mit Tommy über eine Spelunke, die sie beide kannten. Seine berühmte Stimme kam aus dem gleichen Kasten wie die meines Vaters, was mir ein verwirrendes Gefühl von Nähe zu ihm vermittelte.
    Tommy führte mich zur Trainerbank und sagte, ich solle mich hinsetzen, er komme gleich wieder zurück. Ich kauerte mich an den Rand der Bank neben ein paar Spieler und grüßte sie. Die Spieler antworteten nicht. Ich sagte, ich dürfe hier sitzen, weil der Freund meines Onkels für die Sicherheit zuständig sei. Wieder nichts. Tommy kam zurück und setzte sich zu mir. Ich sagte zu ihm, dass die Spieler sauer auf mich seien. »Die?«, sagte er. »Die kommen aus Puerto Rico. Die verstehen dich nicht, Kleiner. No habla inglés. Jetzt pass auf. Ich hab überall gesucht, von oben bis unten. Jemand hat Seaver vorhin beim Bällefangen gesehen, aber er ist nicht mehr da. Auf den müssen wir also verzichten, okay? Ich zeig dir noch den Umkleideraum der Jets, dann bring ich dich zurück.«
    Er führte mich in der Ecke der Trainerbank durch eine Tür. Wir liefen durch einen Gang und in einen Umkleideraum, in dem es ein bisschen roch wie im Dickens – nach Menthol, Haarwasser und Brut – und als ich Namaths Spind suchte, packte mich Tommy am Oberarm. Ich blickte auf. »Da ist jemand, den ich dir zeigen möchte«, sagte er und wies mit dem Kopf in Richtung Tür. Ich drehte mich um.
    Seaver.
    »Was hast du denn

Weitere Kostenlose Bücher