Tender Bar
so, wie Nonnen ficken.«
20 | MEINE MUTTER
Sie musste schlicht sein und vielschichtig, rar und poetisch, Hemingwayesk und Jamesianisch zugleich. Sie musste vorsichtig sein und konservativ, aber auch frisch und kühn, Beweis für einen jungen Verstand, der vor Esprit nur so sprühte. Sie würde mein weiteres Leben und das meiner Mutter bestimmen und die Fehler aller Männer in meiner Familie wiedergutmachen oder die Tradition ihres Versagens fortsetzen. Und er durfte nicht länger als eine dreiviertel Seite sein.
Bevor ich meine Bewerbung für Yale schrieb, machte ich eine Liste mit außergewöhnlichen Vokabeln. Nur die stärksten Wörter, so glaubte ich, würden den Zulassungsausschuss zwingen, über meine zahlreichen Defizite hinwegzusehen. Mit meinen siebzehn Jahren hatte ich eine Philosophie über hochtrabende Wörter entwickelt, die sich nicht von meiner Philosophie über Parfüm unterschied. Je mehr, desto besser.
Meine Wörterliste:
Provisorisch
Streitbar
Bukolisch
Drehpunkt
Feindselig
Ungeheuer
Jesuitisch
Günstling
Vielseitig
Marquis de Sod
Ästhetisch
Ich liebte Wörter – ihren Klang, ihre Kraft – ohne ihre genaue Bedeutung zu verstehen oder zu erkennen, und das führte zu einem haarsträubenden Satz nach dem nächsten. »So sehr ich mich auch bemühe«, appellierte ich schriftlich an den Zulassungsausschuss, »ich fühle mich außerstande, die entschiedenen Qualen der hungrigen Unwissenheit zu übermitteln, die dieses mein siebzehntes Lebensjahr begleiten, denn ich fürchte, mein Publikum ist wohl genährt!«
Meine Finger flitzten über die Tasten der gebrauchten Schreibmaschine, die meine Mutter mir gekauft hatte, und ich hörte schon, wie der Leiter des Zulassungsdekanats alle in seinem Büro zusammentrommelte. »Ich glaube, wir haben da jemanden«, sagte er, dann las er ein paar erstklassige Textstellen vor.
Meine Mutter dagegen brauchte nach der Lektüre meiner Bewerbung nur drei kleine Worte, um ihre Meinung auszudrücken: »Du klingst – gestört.«
Ich riss ihr das Blatt aus den Händen, stürmte in mein Zimmer und versuchte es wieder.
Ich schrieb eine neue, langatmigere Version über meine »Ambition«, Yale zu besuchen. Das Wort hatte es mir ziemlich angetan. »Meine Ambition«, erklärte ich, »ist vergleichbar der eines Mannes, der einen schneller werdenden Zug abhängen will. Und das Ungeheuer, das mir folgt? Unwissenheit!« Ich fand, das klang genial, aber meine Mutter lehnte auch diesen Versuch rundweg ab.
In den folgenden Wochen, zwischen Thanksgiving und Weihnachten, schrien meine Mutter und ich uns an, knallten Türen, schoben mein Notizbuch hin und her, stritten uns über Wörter. Wenn sie mich anstarrte, konnte ich beinahe hören, wie sie sich wünschte, sie hätte mir nie beigebracht, Wörter zu lieben oder mir nie jene Leselernkarten gezeigt, als ich noch klein war. Ich starrte zurück und fragte mich, ob ihr Autounfall einen von den Ärzten übersehenen Hirnschaden hinterlassen hatte – oder war die Frau schlicht nicht fähig, eine erstklassige Schreibe zu erkennen? Schließlich zeigte ich Bill und Bud meine vielen Entwürfe, und sie meinten, das Urteil meiner Mutter sei noch viel zu milde gewesen.
Als es bis zur Bewerbungsfrist, dem 31. Dezember, nur noch wenige Tage hin war, kam ich aus meinem Zimmer und fuchtelte mit einer neuen Fassung herum. »Noch schlimmer als die letzte«, sagte meine Mutter und gab sie mir zurück.
»Mit dieser Bewerbung nehmen sie mich an!«
»Mit dieser Bewerbung lassen sie dich einweisen.«
Um sie zu ärgern, ging ich in mein Zimmer zurück und haute eine schludrige Bewerbung hin, die nicht ein einziges hochgestochenes Wort enthielt, nur eine schlichte, einfache Beschreibung meiner Arbeit bei Bill und Bud im Buchladen, dass sie mir Lesen beigebracht hatten, indem sie mir stapelweise Bücher gegeben und geduldig mit mir über Literatur und Sprache diskutiert hatten. Ich schrieb, dass sich ihre Begeisterung für Bücher auf mich übertragen hatte und ich Yale als Erweiterung dieser Erfahrung betrachte. Stocklangweilig. Ich drückte das Blatt meiner Mutter in die Hand. »Wunderbar«, sagte sie. Ich war noch nie so verwirrt.
An Silvester fuhren meine Mutter und ich zur Post. Es war ein windiger, sonniger Tag. Sie küsste ihre Fingerspitzen und drückte sie auf den Umschlag, bevor ich ihn in den Briefkasten fallen ließ. Zu Hause aßen wir Pizza, dann legte sich meine Mutter ins Bett, und ich ging
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