Tender Bar
mehr?«
Onkel Charlie schüttelte den Kopf, als wollte er sagen, tja, so weit sind wir jetzt schon gekommen.
»Nun ja, Gesetz ist Gesetz«, sagte Joey D. Nunjagesetzistgesetz! »Ich schätze, wir haben keine Wahl. Lass mich dem Jungen seinen ersten Drink spendieren.«
»Neffe, du wirst von Joey D gedeckt«, sagte Onkel Charlie.
»Gedeckt?« Den Ausdruck hatte ich schon gehört, aber ich war mir nicht ganz sicher, was er bedeutete.
»Joey D gibt dir einen Drink aus. Was soll’s denn sein?«
Die magischen Worte. Sofort wurde ich einen Kopf größer. »Was trinke ich nur?«, überlegte ich laut und sah auf die Flaschen hinter Onkel Charlie. »Wichtige Entscheidung.«
»Die wichtigste«, sagte er.
Und er übertrieb nicht. Onkel Charlie war überzeugt, dass man ist, was man trinkt, und er teilte Leute nach ihrem Getränk ein. War man erst mal Sea-Breeze-Jack oder Dewars-Soda-Jill, hatte man seinen Stempel weg, und sobald man durch die Tür kam, schenkte Onkel Charlie genau das ein, und viel Glück, wer versuchte, sich bei Onkel Charlie »neu zu erfinden«.
Wir ließen beide den Blick über die Flaschenreihe schweifen.
»Ich glaube, ein Yalie sollte Gin trinken«, sagte er und zeigte auf eine Flasche Bombay. »Ein guter Gin Martini. Ich mache den besten in New York, nebenbei gesagt. Ich gebe ein paar Tropfen Scotch dazu, mein Geheimrezept. Stammt von einem britischen Butler, der abends mal hier war. Arbeitete auf einem der Anwesen an der Shelter Rock Road.«
»Um Himmels willen!«, rief jemand. »Ein Gin Martini? Der Saft der bösen Wacholderbeere? Du hast dem Jungen eben die Stützräder abgenommen und schnallst ihn gleich auf eine verdammte Kawasaki?«
»Schön gesagt«, lobte Onkel Charlie und zeigte dem Mann auf die Brust.
»Steck einen Nippel auf ein Budweiser«, murmelte jemand, »und schieb ihn in seinen verdammten Mund.«
»Wie wär’s mit einem Sidecar?«, fragte eine Frau. »Sidecars sind köstlich. Und Chas, du machst die besten im Geschäft.«
»Stimmt«, sagte Onkel Charlie. Er drehte sich zu mir und wölbte eine Hand seitlich vor den Mund, damit nur ich es hören konnte. »Ich verwende Cognac statt Brandy«, sagte er, »und Cointreau statt Triple Sec. Hervorragend. Wird aber nicht mehr oft verlangt. In den Dreißigern war das ein großer Drink.« Er wandte sich wieder an die Frau. »Aber zwing mich bitte nicht, eine Zitrone zu drücken, Schätzchen, ich weiß nämlich nicht, wo die verdammte Presse ist.«
Ein wilder Streit über schwer zu mixende Getränke brach aus und führte zu einer Diskussion darüber, was die Passagiere auf der Titanic gerade tranken, als sie den Eisberg rammten. Onkel Charlie bestand auf Pink Squirrels und wettete zehn Dollar mit einem Mann, der auf Old Fashioneds pochte. Ich fragte, ob Bobo in der Nähe sei. Bobo könnte mir sagen, was ich trinken soll. Onkel Charlie runzelte die Stirn. Bobo hatte einen kleinen Unfall, sagte er. Ist die Kellertreppe in der Bar runtergefallen und hat sich den Kopf aufgeschlagen. »Wenn du Hunger hast«, sagte er, »macht Smelly dir was.«
»Smelly?«, fragte ich.
»Der Koch.«
»Nein«, sagte ich. »Ich wollte Bobo nur sehen. Geht es ihm gut?«
Onkel Charlie verzog das Gesicht. Joey D fand Bobo unten an der Treppe, sagte er. Joey D drehte ihm den Kopf zur Seite und legte die Luftröhre frei, was ihm vermutlich das Leben rettete. Jede Menge Blut, sagte Onkel Charlie. Ich warf Joey D einen Blick zu, aber er sah schüchtern weg. Mir fiel ein, wie Joey D für McGraw und mich am Gilgo Beach den selbsternannten Bademeister gespielt hatte, und ich empfand einen Anflug von Liebe für ihn und seine heldenhafte Veranlagung. Als er meinen herzlichen Blick sah, wurde er rot. »Verfluchter Bobo«, murmelte er seiner Schmusemaus zu.
»War Bobo betrunken, als er gestürzt ist?«, fragte ich.
Onkel Charlie und Joey D sahen einander an und wussten nicht recht, was sie antworten sollten. Mir wurde klar, wie dumm meine Frage war.
»Das Traurige ist«, sagte Onkel Charlie, »dass der Sturz einen Nerv geschädigt hat. Bobos eine Gesichtshälfte ist teilweise gelähmt.«
Im Publicans fallen die Leute oft hin, sagte ich. Joey D erinnerte mich an Onkel Charlies neuen Sturz. Während er der gesamten Thekenbesatzung zeigte, wie man am besten vor dem Green Monster im Fenway Park spielt, war Onkel Charlie ungeschickt aufgetreten, in die Flaschen gestürzt und hatte sich drei Rippen gebrochen. Steve brachte ihn schnell ins Krankenhaus, wo der Arzt ihn
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