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Tenebra 1 - Dunkler Winter

Tenebra 1 - Dunkler Winter

Titel: Tenebra 1 - Dunkler Winter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dave Luckett
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»Genauso wenig seine Agenten wie unsere eigenen Toten.«
      Sie wandte den Kopf und funkelte den Bauern verächtlich an. »Wer sind Sie, dass Sie zu mir sprechen, Verräter? Einer, der mit Tieren Unzucht treibt, wie können Sie es wagen…?«
    »Mit Tieren?« Er winkte seiner Frau und Tochter, und die beiden suchten Zuflucht im Schutz seines Armes. »Kaidee ist mehr ein Mensch, jawohl, und mehr eine Frau als Sie jemals eine sein können, Sie flachbrüstiges Gestell von Jungfräulichkeit!«
    Seine Stimme dröhnte wie eine Posaune, und Schwester Winterridges Gesicht lief rot an. Sie bebte vor Zorn. Einen Augenblick lang dachte ich, sie würde mich umgehen und sich auf ihn stürzen, aber nach einem langen Augenblick stieß sie das Schwert in die Scheide, kehrte dem Bauern den Rücken und wandte sich in eisigem Ton an Silvus. »Mein Gelübde verlangt von mir, dass ich das Schwert nur in Selbstverteidigung ziehe, oder gegen das Dunkel. Sie sagen, hier gebe es kein Dunkel. Gut, dann lassen Sie uns gehen. Der Ort beleidigt mich.« Sie schritt zu ihrem Pferd, zog es herum, saß auf und trabte davon. Der Bauer sah ihr mit bitterem Lächeln nach. »Ja, gehen Sie nur«, rief er ihr zu. »Ich habe mein Wort gehalten, und Sie halten an Ihrem Glauben fest. Gehen Sie heim zu Ihrem Steinhaufen am Meer und halten Sie Ihre Jungfräulichkeit hoch wie ein Banner. Wir anderen werden weiter versuchen, die Welt zusammenzuflicken.«
    Sie gab nicht zu erkennen, dass sie es gehört hatte.
    Wir trotteten ihr nach, verlegen und schweigend. Die Familie des Siedlers stand im Wind vor ihrer ärmlichen Behausung und sah uns nach.
     

  KAPITEL IX
    Die Berge rückten allmählich näher, wenn wir sie denn durch die aufreißenden, sturmverwehten Wolkenbänke sehen konnten. Sie hatten ihre Schultertücher aus Schnee schon angelegt und ließen sie weit herabhängen. Mit unguten Gefühlen beobachteten wir die Kette der zerklüfteten, eisgepanzerten Berggestalten. Die Zeit wurde knapp. Unter der Plane des Karrens spannten wir Leinen zwischen den Pfosten und hängten unsere nassen Kleidungsstücke zum Trocknen daran auf. Die tägliche Marschleistung wurde heraufgesetzt. Der Wettlauf mit dem früh einsetzenden Winter drohte verlorenzugehen, wenn es nicht gelang, ihm im Endspurt eine Nasenlänge Vorsprung abzugewinnen. Schwester Winterridge beobachtete die hohe, dünne Wolkendecke, die am Nachmittag aufgezogen war, und schüttelte den Kopf.
    Ich weiß nicht, wie sie den Kurs bestimmte. Schließlich waren wir jetzt in ihrer Hand. Vielleicht sah sie die Formen der Gipfel voraus - und die Wasserläufe, die wir überquerten. Sie sagte es nicht. Sie blieb, wie sie immer gewesen war, von kühler Höflichkeit, distanziert, meistens still, immer wortkarg. Nicht gleichgültig; sie drängte vorwärts und verlangte sich viel ab, und wir hatten Mühe, mit ihr Schritt zu halten. Die Pferde zeigten erste Anzeichen von Erschöpfung. Um sie zu entlasten, legten wir Teile unserer Rüstungen ab.
    Wir kamen in den Nadelwald, der die unteren Talhänge der Berge bedeckte, aber bald blieb der Saum von Fichten und Kiefern zurück und wurde von lichtem Lärchenwald abgelöst, dessen Nadeln sich bereits gelb gefärbt hatten. Das Gelände stieg weiter an, wurde felsiger und rauer. In den Vorbergen kommt es darauf an, die Zugangstäler und gleichmäßigen Anstiege zu finden, damit erschöpfendes Auf und Ab vermieden werden kann. Schwester Winterridge kannte sich auch darin aus. Oberhalb des Waldgürtels ging es auf einem langen, mäßig ansteigenden Rücken weiter, um seine Kuppe herum und über eine moorige Hochfläche, hinter der ein weiterer Hang mehr felsig als grün aufwärts führte. Eine schwach ausgeprägte, vielfach überwachsene Wegspur, der wir seit unserem Eintritt ins Bergland folgten, wand sich jetzt deutlich sichtbar zwischen den schrofigen Felsrippen aufwärts, und allmählich wurde mir klar, dass es mehr war als eine Schaftrift oder ein Wildwechsel. Wir befanden uns auf der Passstraße.
    Silvus, der neben mir ging, hob den Kopf und spähte nach vorn. Wir führten unsere Pferde am Zügel, den Blick auf dem steinigen Weg, die Gedanken bei unseren schmerzenden Beinmuskeln. Die Wegspur war hier breit genug, um ein Fahrweg genannt zu werden, und wir führten unsere Pferde schweigend nebeneinander. Einmal spähte Silvus nach vorn, um den weiteren Wegverlauf zu überblicken, dann machte er eine knappe Handbewegung und sagte: »Da vorn ist der Pass.«
    Ich hob den Blick.

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