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Tenebra 1 - Dunkler Winter

Tenebra 1 - Dunkler Winter

Titel: Tenebra 1 - Dunkler Winter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dave Luckett
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der Graf beinahe wie immer; Schwester Winterridge und Raol schienen unverändert. Nur Eumas wirkte überanstrengt; die Falten seines Gesichts waren tief eingegraben, die Augen schienen in die Höhlen zurückgesunken.
    Silvus ging noch immer voran und trug die Lampe. Wenn der Raum es erlaubte, war Raol mit seinem Langbogen neben ihm. Hinter ihnen kamen Eumas und Graf Ruane und dessen Knappe Hubert, dann Schwester Winterridge und zuletzt ich. Mit Ausnahme der Eisenschuhe und Panzerhandschuhe hatten wir unsere Harnische angelegt und ich trug meinen Schild auf dem Rücken unter meiner Traglast. Ich war der Einzige unter uns, der seinen Schild mitgenommen hatte. Trotzdem prickelte meine Rückenhaut und ich blieb dem Licht so nahe wie ich konnte.
    Aber plötzlich machte Silvus Halt und hielt die Lampe hoch. In der Wand zur Rechten gab es eine Höhlung, eine ausgehauene Nische, und dort glänzte etwas. Er beobachtete es misstrauisch von zwei Seiten, dann fasste er hinauf - die Nische war etwas höher als sein Kopf - und zog eine Laterne heraus, als hätte er sie gerade herbeigezaubert.
    Unter dem verglasten, mit einem blanken Reflektor versehenen Brennraum führte der Docht in einen Behälter, der wenigstens ein Quart Öl enthalten konnte. Silvus schüttelte die Lampe. Es gluckste. Voll. Er zog den Korken aus der Öffnung zum Einfüllen und schnüffelte.
    Wortlos reichte er die Laterne Schwester Winterridge, die ihre Nase über die Öffnung hielt.
    »Lampenöl der Kobolde«, sagte sie in sachlichem Ton. »Manchmal finden wir es in ihren Stollen. Es heißt, sie quetschen aus den Steinen.«
    Ein Hauch davon erreichte mich, und ich konnte nicht sagen, wo ich es früher schon gerochen hatte. Bitter, säuerlich, ölig. Ich überlegte eine Weile, dann hatte ich es. Als ich diesen Geruch zuletzt wahrgenommen hatte, war er mit dem Gestank von Sumpfwasser und Fäulnis vermischt gewesen. Schwester Winterridges goldene Flamme.
    Silvus nahm die Laterne zurück und verschloss die Einfüllöffnung mit dem Korken. Dann zündete er sie an der Flamme unserer Öllampe an. Licht flammte auf, heller als unser schwächliches Lämpchen, goldgelb und gleichmäßig, durch den Reflektor verstärkt. Silvus löschte die tönerne Öllampe.
    »Wir werden sie in Reserve behalten«, sagte er ohne erkennbare Ironie. Dann wanderte er weiter und wir folgten. Es wurde wieder still, als wir marschierten. Galerie und Stollen, Höhle und Korridore. Rampen, Treppen, einmal eine Brücke aus Schmiedeeisen über einen abgrundtiefen Spalt. Und immer führte der Strahlenkranz mit dem Keil uns weiter. Die Kälte schien weit hinter uns zu liegen; im Berg war es kühl, aber ausgeglichen, niemals frostig. Als wir unseren Weg fortsetzten, wurde es irgendwie immer unwahrscheinlicher, dass wir umkehren würden. Vielleicht gab es hier Vorräte zu finden, Nahrung.
    Und ein Weg durch den Berg? Ich wusste es nicht. Niemand konnte erraten, in welche Richtung der Weg uns führte, aber es war der Einzige, der die Markierung trug und geradeaus führte. Wenn es nur einen Weg gibt, folgt man ihm.
    In einem schmalen Stollen, wo die Wände sich oben zueinander neigten, zogen wir im Gänsemarsch eine lange Steigung hinauf, als Silvus abermals Halt machte und sich umwandte.
    Ich spähte zu ihm vor, aber er sah mich nicht an. Er hatte den Kopf gehoben wie ein alter Jagdhund: Er witterte die Luft, bewegte den Kopf leicht von einer Seite zur anderen.
    Dann verzog er sein Gesicht zu einer Grimasse von Übelkeit. »Dunkel!«, rief er. »Nahe. Jetzt.« Und er machte wieder kehrt und eilte im Laufschritt vorwärts, nicht den Weg, den wir gekommen waren, sondern in die unbekannten Gänge voraus.
    Wir überwanden die Steigung. Es folgte eine kurze Treppe abwärts, die sich verbreiterte und auf ebenem Boden mündete. Als ich die Stufen hinabstieg, dachte ich zuerst, der Boden sei von verschiedenfarbigen Kieselsteinen bedeckt, vielleicht hereingeschwemmt von einem unterirdischen Hochwasser. Dann sah ich, dass die kleinen Steine festzementiert waren und Muster bildeten, Spiralen und Wirbel aus verschiedenen Tönen, fein und schattiert, sodass sie uneben aussahen, beinahe dreidimensional. Doch wenn man auf ihnen stand, war der Boden ganz eben.
    Vier Gänge mündeten hier in einen Raum, der offenkundig eine besondere Bedeutung hatte, künstlicher als alles, was wir bisher gesehen hatten. Er war von einer manierierten Eleganz. Zur Linken führte eine Öffnung in eine Höhle. Zur Rechten in eine andere.

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