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Tenebra 1 - Dunkler Winter

Tenebra 1 - Dunkler Winter

Titel: Tenebra 1 - Dunkler Winter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dave Luckett
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uns nacheinander die Hand gab, fühlte ich harte Schwielen, die man nicht vom Rühren in einem Kochtopf oder vom Schreiben mit einem Gänsekiel bekommt.
    »Ihr verwundeter Gefährte wird jetzt behandelt«, sagte sie. »Wir werden bald mehr über die Verletzung wissen. Meine Herren, Sie haben eine lange und harte Reise hinter sich. Wir werden zum Essen im Refektorium zusammenkommen, wenn Sie dafür bereit sind. Badezuber und saubere Kleidung werden hergerichtet. Gehen Sie mit meinen Schwestern, und was wir uns an Bequemlichkeiten leisten können, steht Ihnen zur Verfügung. Schwester, ein Wort mit Ihnen…«
    Es war so förmlich wie eine Pavane. Sie wandte sich von uns ab und sprach in völlig anderem Ton zu Schwester Winterridge. Ich fühlte ein Zupfen an meinem Bündel. Ein vielleicht vierzehnjähriges Kind stand da und zog daran und ich überließ es ihr. Sie wandte sich um und eilte davon, und ich vermutete, dass ich ihr folgen müsse.
    Die Decken sah ich nie wieder. Ich fürchte, sie wurden verbrannt, und das war in Anbetracht des Ungeziefers, das sich darin eingenistet hatte, wahrscheinlich gut so. Der Rest meiner Sachen, bis hin zum Griff meines abgebrochenen Dolches, erschien später in meiner Schlafkammer. Ich machte mir deswegen keine Sorgen. Zunächst hatte ich Mühe genug, meine kleine Führerin im Auge zu behalten, als sie in einer Türöffnung eines der an die Außenmauer gebauten Nebengebäude verschwand.
    Die Kammer, zu der wir hinaufstiegen, war sauber und kahl, eine von vielen gleichartigen Kammern in einer Galerie, durch Zwischenwände aus einfachen Holzlatten voneinander getrennt. Die äußere Befestigungsmauer bildete die Rückwände der Kammern, das Dach lag unter dem Wehrgang, und die Schießscharten in der Außenmauer, durch die die Kammern spärliches Licht empfingen, waren für Bogenschützen bestimmt. In Kriegszeiten konnten die Zwischenwände niedergelegt werden, um das ganze Geschoss in einen leicht zugänglichen Teil des Verteidigungssystems zu verwandeln. Ich spähte durch die Schießscharte. Sie bot ein gutes Schussfeld in genau der richtigen Höhe über dem Hang.
    Die Kammer war so leer wie der Kopf eines Höflings, doch hätte ich wetten mögen, dass jemand in aller Eile ausquartiert worden war, um Platz für mich zu schaffen. Alles darin war von äußerster Einfachheit und sehr sauber. Der Boden sah aus, als sei er erst an diesem Morgen geschrubbt worden, auf dem Rollbett lagen ein Strohsack und drei Decken am Fußende, sorgsam zusammengelegt. Ein Hocker diente zugleich als Nachttisch, und ein Spind vervollständigte die Einrichtung. Der Spind war leer, roch aber noch nach Kernseife. Sonst gab es nichts. Das Mädchen, das mich hierher geführt hatte, war fortgegangen, sowie ich die Kammer betreten hatte.
    Ich setzte mich aufs Bett. Das Bedürfnis zu schlafen war überwältigend, aber zuerst musste ich mich von meiner Rüstung befreien, und die Anstrengung ging beinahe über meine Kräfte. Ich zog an Riemen und Schnallen -nassen Riemen, die widerspenstig und zäh waren -, als das Mädchen zurückkehrte. Es trug einen hölzernen Bottich von der Größe eines Wäschekorbes. Ich hatte schon gedacht, dass ich mich in einem Pferdetrog würde waschen müssen, hätte es aber besser wissen sollen. Schließlich war dies der Orden.
    Sie stellte den Bottich ab und half mir mit der Rüstung. Sie kannte sich damit aus und legte bei der Arbeit die gleiche klinische Gleichgültigkeit an den Tag, die mir bei Schwester Winterridge aufgefallen war. Das Gefühl von Abstand wurde durch den Umstand verstärkt, dass sie, wie sich herausstellte, kaum etwas von meiner Sprache verstand. Nicht mehr als ein paar Worte, vielleicht. Aber gleichgültig oder nicht, als sie den Harnisch von Brust und Rücken entfernte, stockte ihr der Atem - und mir auch. In meinem Fall vor Schmerz. Mit meinen schmerzenden Rippen hatte es mehr auf sich, als ich wusste.
    Der Brustharnisch sah mehr oder weniger unbeschädigt aus, und in der Hitze des Kampfes war mir entgangen, was mich getroffen hatte. Es musste etwas wie ein Streitkolben gewesen sein, denn das wattierte Unterziehwams hatte im Bereich zwischen Achselhöhle und Gürtel einen Blutfleck von der Größe eines Suppentellers aufgesaugt. Ich versuchte das schwere Kleidungsstück auszuziehen, aber es klebte, und die Wunde blutete mehr - ich fühlte die warme Feuchtigkeit über den Rippen -, und plötzlich knirschte der Knochen, der nicht mehr vom Harnisch gestützt wurde.

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