Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tenebra 1 - Dunkler Winter

Tenebra 1 - Dunkler Winter

Titel: Tenebra 1 - Dunkler Winter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dave Luckett
Vom Netzwerk:
herausgefordert hatten? Dass es unsere eigene Schuld sei? Ich musste den aufkommenden Zorn unterdrücken. Glaubte die Frau vielleicht, wir hätten diesen mörderischen Kampf vorsätzlich angefangen? Sie musste verrückt sein… aber sechs Jahre Erfahrung in der Vernehmung von Bösewichten kamen mir zu Hilfe. Man darf niemals Missbilligung zeigen. Dann machen sie den Mund nicht mehr auf. Man stellt einfach eine nüchterne Frage, die ihnen das Gefühl gibt, dass man sie versteht.
    »Sie scheinen - ah - eine freundliche Einstellung zu Kobolden zu haben. Mehr als im Orden üblich ist.«
    Tatsächlich stimmte ich in diesem Punkt mit dem Orden überein. Zwar erinnerte ich mich, wie hässlich Schwester Winterridges Gesicht gewesen war, als sie erkannt hatte, dass die kleine Bäuerin ein Kobold war, aber ich teilte ihre Abneigung. Vor meinem inneren Auge standen noch die leeren roten Augen und blitzenden Klingen der Horde, die Ruane niedergemacht und uns alle beinahe erledigt hätte.
    Aber das Gesicht der Heilkundigen zeigte kaum eine Veränderung außer einem leichten Anheben der Augenbrauen. Ich sah zu, wie sie ein handtellergroßes Stück bröckelnder brauner Rinde in einen Becher krümelte. Sie murmelte Anweisungen in einer fremden Sprache, und die junge Novizin musste sie verstanden haben, denn sie nahm den Becher und ging damit hinaus. Nun erst wandte die Frau sich wieder mir zu, legte den Kopf auf die Seite.
    »Ach, der Orden. Ja, er hat für die Seinen zu sorgen, und deren Aufgabe ist es, das Dunkel in Schach zu halten. Was, um ihnen Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, keine leichte Aufgabe ist. Aber die Unterirdischen sind freundlich, wenn man sie gerecht behandelt. Selbst der Orden verschmäht es nicht, durch Vermittler mit ihnen ein wenig Handel zu treiben, obwohl die Schwestern lieber sterben würden, als es zuzugeben. Und für andere Leute gibt es überhaupt keinen Grund, mit ihnen zu streiten. Der Bauer, der eine Kanne Milch oder einen Sack Gerstenmalz auf einem Berghang hinterlegt, kann erleben, dass beides fort ist und sich dafür eine feine neue Klinge für eine Sichel oder eine Flasche Lampenöl an derselben Stelle befindet, wenn er am nächsten Morgen zurückkommt. Es geschieht die ganze Zeit, ganz gleich, was der Orden sagen mag.«
      Die ruhige Gewissheit, mit der sie es sagte, verblüffte mich zuerst. Handel mit Kobolden? Scherzte sie? Ein Blick in ihr Gesicht sagte mir, dass sie es nicht tat.
    Und wenn ich es recht bedachte, hatte ich mit eigenen Augen Hinweise gesehen, dass dieser Handel vor sich ging - und nicht nur Handel. Ihre Worte sickerten durch meine ungläubige Abwehr, und mit ihnen kam ein Gefühl wie von einem Durchbruch in meinem Kopf, und der Geruch von Lampenöl.
    Lampenöl. Schwester Winterridges goldenes Feuer. Zum Gebrauch gegen das Dunkel, wohlgemerkt. Sie hatte gesagt, dass die Kobolde es aus dem Gestein pressen würden.
    Also schien es, dass die Kobolde ehrlichen Tauschhandel trieben und andere Leute nicht behelligten, und dass sogar der Orden für seine eigenen Zwecke mit ihnen Geschäfte machte.
    Die Heilkundige unterbrach meine Gedanken. »Was Sie betrifft, so mögen Sie ein harter Bursche sein, aber es war eine Dummheit, niemandem etwas davon zu sagen, dass Ihnen ein paar Rippen eingeschlagen wurden. In ein paar Tagen werden Sie die ganze Seite herunter wie ein Regenbogen aussehen und können noch von Glück sagen, dass es nicht schlimmer ausgegangen ist.«
    »Ich… wusste es nicht. Es fühlte sich nicht so schlimm an. Und wir mussten weiter.«
    Sie schnalzte missbilligend. »Naja. Hier ist der Aufguss.« Die kleine Novizin trat durch den Vorhang ein, einen dampfenden Becher in der Hand. »Trinken Sie alles aus.«
    Ich tat es. Es schmeckte wie heißer saurer Wein mit einem starken bitteren Nachgeschmack, und ein körniger Bodensatz schwamm darin, wenn man ihn aufrührte.
    »Das wird Ihr Fieber zurückdrängen, solange es nicht ihre Lungen angreift, was ich nicht glaube«, bemerkte sie befriedigt, als sie sah, dass ich auch den Satz trank. »Und nun schlafen Sie. Wollen Sie einen Topf?«
      »Danke, ich schaffe es zur Latrine«, murmelte ich, aber sie widersprach sofort.
    »Ich sagte, Sie brauchen Bettruhe, und das ist mein Ernst. Wenn Sie sich erkälten und das Lungenfieber bekommen, kann ich Ihnen nicht mehr helfen.« Sie sah, dass ich zu der kleinen Novizin blickte. »Ach, machen Sie sich ihretwegen keine Gedanken. Novizinnen im ersten Jahr haben viel Schlimmeres zu tun,

Weitere Kostenlose Bücher