Tentakel-Trilogie 1: Tentakelschatten
Nachrichten befallen. Die in ihren Blutkreislauf ausgeschütteten Drogen taten ihre Wirkung. Ihr Instinkt hatte sie nicht betrogen, und das beruhigte sie außerordentlich. Was immer dort geschah, sie würde sich entsprechend darauf vorbereiten. Eine seltsame, gespannte Erwartung erfüllte sie.
»Wir werden alle notwendigen Maßnahmen ergreifen, um die Sicherheit des Systems zu gewährleisten. Drei Aufklärungssonden sind auf dem Weg. Das Geschwader ist einsatzbereit und hat bereits Kurs auf den Fremden genommen.«
»Ohne dich an Bord, kleiner Pisser«, kommentierte Tooma. Beinahe automatisch hatte sie eine Whiskyflasche aus dem Regal genommen und goss sich fingerbreit ein. Sie kannte das Gefühl, das sie gerade erfüllte. Sie hatte es vor langer Zeit genossen, jetzt war es rein professionelles Interesse. Atkinsons Gesicht auf dem Schirm schwitzte. Er tupfte sich mit einem Tuch über die Stirn und blickte immer wieder auf ein offenbar vorbereitetes Manuskript. Er war entweder durch den öffentlichen Auftritt oder die Situation überfordert. Tooma vermutete beides.
»Ich rufe die Bevölkerung von Lydos auf, Ruhe zu bewahren!«, salbaderte Atkinson nun in die Kameras. Der schräg hinter ihm stehende Gouverneur nickte gewichtig und versuchte, so etwas wie Zuversicht zu zeigen. Er scheiterte darin kläglich, was bereits einiges über die Situation aussagte. Atkinsons verzweifelter Versuch, beherrscht und zuversichtlich zu wirken, geriet zur Persiflage seiner selbst. Es folgten einige Gemeinplätze, bis das Bild des Commandant ausgeblendet wurde. Nach weiteren Belanglosigkeiten aus der Nachrichtenredaktion begann die Aufzeichnung der Highlights einer beliebten Gameshow. Bis auf weiteres war über die offiziellen Kanäle nichts wirklich Informatives zu erwarten, also schaltete Tooma ab.
Für einen Moment blieb sie regungslos sitzen. Sie ordnete die Gedanken und Empfinden in ihrem Kopf nach strengen Prinzipien. Es blieb das überwältigende Gefühl einer nahenden Bedrohung. All das konnte sich als Sturm im Wasserglas heraus stellen, doch Tooma bemerkte, wie alte, eingeübte Routinen sich in ihrem Bewusstsein nach vorne drängten und begannen, ihr Denken zu dominieren. Der Drogencocktail in ihren Blutbahnen fing an, nach Aktivität zu schreien.
»Du täuschst mich nicht«, murmelte Tooma und meinte Atkinson. »Du machst dir in die Hosen vor Angst!« Sie schluckte den Inhalt des Whiskyglases hinunter und wartete, bis sich das Brennen in ihrem Hals gelegt hatte.
Dann entspannte sie sich und kapitulierte vor dem inneren Drängen, das sich in ihr aufgebaut hatte.
Sie erhob sich. Plötzlich wirkten ihre Bewegungen methodisch, wie abgezirkelt – fast so, als wäre sie eine Marionette und jemand hätte sich jetzt entschlossen, an den Strippen zu ziehen. Sie durchmaß den Wohnraum und stand vor einem Metallschrank mit einem elektronischen Schloss. Auf einem Keypad tippte sie eine lange Kombination von Zahlen und mit einem leisen Klicken öffnete sich die Tür. Ein auf Hochglanz polierter Kampfanzug des Raummarinedienstes, ohne Rangabzeichen, hing dort an einem Haken, in Folie vakuumverschweißt. Tooma nahm ihn heraus, riss ohne zu zögern die Folie auf. Sie drapierte die Körperpanzerteile auf ihrem Sofa. Jedes Teil unterzog sie einer gründlichen Musterung, die offensichtlich zu ihrer Zufriedenheit ausfiel. Dann zog sie sich langsam bis auf die Unterwäsche aus. Mit präzisen Bewegungen, die von jahrelanger Übung zeugten, legte sie die Einzelteile des Anzuges an. Es wirkte, als würde sie ein Ritual zelebrieren.
»Passt immer noch. Schätzchen, du hast doch kein Fett angesetzt!«, sagte sie zu sich selbst.
Den Helm unter dem Arm wandte sie sich ab. Sie verließ das Haus und betrat den kleinen Schuppen neben dem Wohngebäude. Das Geräusch eines pneumatischen Laders ertönte, und als der Halbautomat mit scheppernden Gleisketten aus dem Schuppen rollte, hielt er in seinen Greifarmen den eingeölten Körper einer Sun Ray Powergatling. Illegale Konterbande, aber das war jetzt wahrscheinlich zweitrangig. Tooma steuerte das schwere Ladegerät mit der Virtuosität jahrelanger Praxis. Sie ließ den Automaten vor dem Executor Halt machen. Sie wandte sich der Nase des schweren Gleiters zu und nahm mit methodischen Bewegungen die Abdeckhaube aus Kunststoff ab. Damit wurde die gähnende Öffnung der Waffenhalterung enthüllt. Dann war das Werk schnell vollbracht. Der Lader positionierte die Sun Ray in der richtigen Stellung, Tooma
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