Tentakel-Trilogie 1: Tentakelschatten
ließ die Halterungen einrasten und steckte die Kabelverbindungen fest: Elektronik, Hydraulik und das matt schimmernde Band der Munitionszuführung. Es dauerte etwa zwanzig Minuten, bis sie alle Verbindungen gesetzt hatte. Sie prüfte noch einmal die Festigkeit der Anschlüsse, ehe sie den Lader zurück zum Schuppen steuerte. Einige Minuten später schepperte der Automat wieder über den Hof. Diesmal trug er vier mächtige Kisten auf seinen Armen, die Tooma zur Ladeluke des Executors steuerte. Mit einiger Anstrengung wurden die massigen Behälter ins Innere bugsiert und mit den Öffnungen der Munitionszufuhr verbunden. Zwei Kisten mit je 40.000 Schuss panzerbrechender Stahlmantelmunition. Eine Kiste mit 50.000 Schuss Schrapnellpatronen für den Einsatz gegen weiche Ziele. Und die rot schimmernde, beständig unter Bereitschaftsstrom stehende Kiste mit Energie für rund 120.000 Schuss ultraheißer Plasmabolzen. Von der Kanzel des Executors aus konnte sie blitzschnell zwischen den Feeds der Munitionsvorräte hin und her schalten. Obgleich die Sun Ray auf eine Feuergeschwindigkeit von 4000 Schuss pro Minute ausgelegt war, konnte sie den Verbrauch deutlich senken, wenn sie auf verschwenderisches Dauerfeuer verzichtete. Ihr Munitionsvorrat war genauso beachtlich wie er illegal war, bei alledem aber war er begrenzt. Tooma spürte fast instinktiv, dass sie jeden Schuss würde brauchen können.
Dann hielt sie einen Moment inne und sah auf ihre behandschuhten Hände. Sie waren ruhig. Doch dann fuhr ein leichtes Zittern durch ihre Arme. Die Drogen jagten in einem weiteren Schub durch ihren Kreislauf, doch diesmal rang sie ihre Wirkung in einem bewussten Kraftakt nieder.
»Rahel … Rahel, was machst du da eigentlich?«, flüsterte sie und erkannte mit einer Mischung aus Verwunderung und Beruhigung, welche Automatismen in ihrem Verstand abgelaufen waren, nachdem sie die Übertragung im Fernsehen gesehen hatte. Sie hatte das, was da gemeldet worden war, kaum bewusst verarbeitet oder mit Oberflächlichkeiten aufgehalten, und doch hatte ihr Verstand unmittelbar und erneut nahezu unbewusst reagiert. Die Implantate hatten das ihre getan. So lange Zeit nach ihrem letzten Kampfeinsatz musste sie feststellen, dass sie den Einsatz des Drogencocktails nicht mehr gewohnt war. Früher diente er dazu, ihr in einer schwierigen Mission zu helfen, sie zu unterstützen. Doch jetzt war es ihr vorgekommen, als habe sie den Amphetaminen gedient. Sie musste sich wieder daran gewöhnen und lernen, die Kontrolle vollständig zu erhalten. Und das möglichst schnell.
Für einen Moment dachte sie daran, eines der dämpfenden Medikamente zu nehmen, verwarf den Impuls aber sogleich wieder. Sie würde damit das Problem nur herausschieben.
Erst jetzt, hier draußen, mit den wichtigsten Arbeiten erledigt, begann sie jedoch, bewusst zu reflektieren, was sie da eigentlich tat. Sie war durchaus beruhigt, dass gewisse Dinge, die sie verloren geglaubt hatte, noch da waren. Gleichzeitig aber auch verwundert darüber, dass die erst einmal zwar interessante, aber doch nicht wirklich bedrohliche Nachricht über das fremde Raumschiff diese Reflexe in ihr ausgelöst hatten. Aber im Endeffekt hatte sie damit rechnen müssen. Die tiefe Konditionierung, die sie im Rahmen ihrer Ausbildung erhalten hatte, war normalerweise dazu geeignet, Routineabläufe effizienter zu gestalten. Die Aktivitätsroutinen wurden gemeinhin durch entsprechende Schlüsselbefehle von Vorgesetzten ausgelöst. Tooma hatte keine Vorgesetzten mehr, aber der Anblick des schwitzenden Commandants schien ein zumindest vergleichbarer Auslöser gewesen zu sein. Für einen Moment überlegte sie, ihre Vorbereitungen wieder rückgängig zu machen und lieber erstmal abzuwarten, wie sich die Sache entwickeln würde, doch das erschien dann doch unangemessen. Die schimmernde Sun Ray am Bug ihres Executors hatte etwas dermaßen Attraktives für sie, dass sie sich nicht überwinden konnte, die Installation wieder abzumontieren. Sie strich mit einer Hand fast zärtlich über den Lauf und machte sich keine Gedanken, wie abwegig dies für einen unvoreingenommenen Beobachter wirken musste. Tooma hatte wenig für Männer übrig, doch nichts war erotischer als der kräftige, tiefschwarz glänzende Lauf einer mächtigen Waffe.
Rahel gab sich einen Ruck und erledigte die letzten Handgriffe. Ein Knopfdruck, und die Waffenkontrollen flammten auf. Die Software war vorhanden, genauso illegal beschafft wie die Munition.
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