Tentakel-Trilogie 1: Tentakelschatten
System kontrollieren?«
Das hätte Haark auch gerne gewusst.
»Wer sagt uns, dass es sich nicht schlicht um die Vorhut handelt?«, spekulierte er. »Und, ehrlich gesagt: Die uns vorliegenden Schiffsdaten legen nahe, dass es durchaus in der Lage sein könnte, das System zu übernehmen, wenn es über vergleichbare Waffensysteme zu einem irdischen Schiff ähnlichen Volumens verfügt. Es beherrscht eine Überlichttechnologie, die uns unbekannt ist – es ist nicht durch die Brücke gekommen und wir haben die Ankunft des Fremden nicht angemessen. Ich muss derzeit davon ausgehen, dass dieses Schiff mit der Napoleon fertig werden kann. Dann steht zwischen ihm und dem System nur noch die Malu , und wir wissen beide, dass das nicht viel ist.«
Farkas war mit dieser Botschaft nicht glücklich, doch die Tatsache, dass er nicht spontan reagierte, sondern sich vielmehr zurück hielt, ließ Hoffnung in Haark keimen.
»Was schlagen Sie vor, Capitaine?«
Auf exakt diese Frage hatte Haark gehofft. Er ließ die Katze aus dem Sack.
»Exzellenz, ich möchte den Evakuierungsalarm für Arbedian ausrufen.«
»Absurd! Arbedian hat eine gute Million Einwohner! Wer sollte die denn wohl evakuieren?«
»Niemand, Exzellenz. Dafür wäre auch gar keine Zeit mehr. Aber in etwa zwölf Stunden trifft der Prosperity-Liner ein. Wenn er innerhalb kürzester Zeit vollständig entladen wird, kann er bis zu 40.000 Personen aufnehmen. Das wird die Lebenserhaltung zwar an den Rand des Zusammenbruchs bringen, aber es geht schließlich nur um eine Zeitspanne, die ausreicht, den Transit nach Ambius durchzuführen. Frauen und Kinder, vor allem Kinder, wohl nur aus der Hauptstadt. Vor allem die jüngsten. Ich muss Ihnen das Auswahlraster nicht erklären. Der Rest sollte von der Regierung aus den Staatsdepots bewaffnet werden. Sie sollten das Standrecht ausrufen und die Verteidigung des Planeten gegen mögliche Invasoren organisieren.«
Farkas hatte den Ausführungen Haarks mit aufgerissenen Augen gelauscht. Erst schien er mit dem Kopf schütteln zu wollen, dann aber verengte sich sein Blick wieder und er holte tief Luft, ehe er antwortete.
»Haben Sie diesen Vorschlag mit Capitaine Esterhazy abgesprochen?«
»Capitaine Esterhazy ist an die allgemeinen Befehlsprotokolle ebenso gebunden wie ich. Die Kolonialkriege waren eine entsetzliche Erfahrung, aber sie haben uns gelehrt, was in welchen Fällen zu tun ist. Ich habe der Napoleon eine Nachricht gesandt, in der ich Capitaine Esterhazy von meinem Ansinnen unterrichtet habe. Seine Antwort wird in den nächsten Stunden eintreffen. Sie verlieren wertvolle Zeit, aber wir können natürlich darauf warten. Ich weiß aber schon ziemlich genau, wie sie ausfallen wird.«
Farkas starrte Haark an. Dann, tonlos, fragte er: »Was werden Sie tun, wenn ich Ihrem Vorschlag nicht folge?«
Der Kommandant zuckte mit den Achseln.
»Ich werde dieses System verteidigen, bis die Malu kampfunfähig geschossen ist. Ich würde es vorziehen, wenn dieser Kampf einen Sinn hätte. Ein Sinn wäre, wenn der Liner voller Kinder und Frauen durch den Einsatz meines Bootes bis zur Brücke und ins nächste System entfliehen kann.«
»Dazu wird es doch nicht kommen!«, rief Farkas im Brustton der Überzeugung.
»Hoffentlich nicht. Aber wäre es nicht besser, für alle Eventualitäten vorzusorgen? Sollte der Fremde abdrehen oder die Napoleon Erfolg haben, können wir den Liner immer noch zurückpfeifen und entladen. Wenn Esterhazy aber scheitert und der Fremde Arbedian ansteuert, dann ist es für die Evakuierung wohlmöglich bereits zu spät. Es wird ohnehin knapp genug.«
Haark konnte förmlich mit ansehen, wie hinter der hohen Stirn des Gouverneurs die Gedanken rotierten. Er war eine Kreatur des örtlichen Bergbaukonzerns und wahrscheinlich in der Bevölkerung nicht sonderlich beliebt, aber er war derjenige – der Einzige! –, der eine solche Entscheidung treffen konnte.
»Gut«, kam das erlösende Wort. Farkas fixierte Haark. »Ich werde die entsprechenden Befehle geben. Der Capitaine des Liners könnte noch Probleme machen, ich habe keine Jurisdiktion über Großschiffe der Handelsfamilien.«
»Überlassen Sie das mir!«, hakte Haark sofort ein. »Sie tun das Ihre, ich das meine. Wir beten beide, dass sich diese Vorbereitungen als unnötig heraus stellen werden.«
Farkas nickte. Erst sah es noch so aus, als wolle er etwas anfügen, doch dann verstummte er. Nach einem knappen Gruß wurde die Verbindung beendet.
Unten auf
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