Tentakel-Trilogie 1: Tentakelschatten
Aufschrei und wusste sofort, wer da angekommen war.
»Nedashde! Hier herüber, zum Gleiter!«
Tooma dimmte den Schein aus der Batterie des Turms. Eine weibliche Gestalt kam auf die wartende Frau zu. Es war Nedashde Mekonnen, ihre einzige echte Nachbarin.
Nedashde war keine zwanzig Jahre alt, die einzige Überlebende ihrer Familie, die vor drei Jahren durch einen Arbeitsunfall ausgelöscht worden war. Sie war recht klein geraten, jedoch mit ausgeprägten weiblichen Attributen. Ihr fleckiger Arbeitsoverall verbarg ihre vollen, weichen Brüste nur unzureichend und spannte sich über dem weiten Becken. Sie hatte vielleicht zehn Kilo zuviel auf den Rippen, nicht genug, um fett oder schwerfällig zu wirken, aber schon zu viel, um als schlank durchzugehen. Rahel wusste, dass Nedashde vor körperlicher Arbeit nicht zurückschreckte und über eine beachtliche Stärke verfügte, genauso wie über eine große Leidenschaft für Süßigkeiten. Die junge Frau, kurz vor ihrem 17. Geburtstag, hatte die große Farm ihrer Eltern geerbt und zahlreiche Kauf- sowie Heiratsangebote ausgeschlagen. Oft genug war beides in einem übermittelt worden, um langwierige Verhandlungen zu vermeiden. Unterstützt von einer Kompanie preiswerter Arbeitsroboter, die sie sich zusammengekauft hatte, führte sie das große Anwesen eigenständig und erfolgreich. Die hinteren Anbauflächen ihres Betriebes grenzten an Toomas bescheidenen Besitz, und die Erfahrung der Soldatin mit Roboterelektronik hatte die beiden Frauen des Öfteren zusammen geführt. Tooma hatte ein gehöriges Maß an Respekt für die dunkelhäutige Frau entwickelt, die sich durchgebissen und vom Orakeln der anderen nicht hatte beeindrucken lassen. Es war keine Freundschaft daraus geworden – dafür waren Lebenshintergrund und Alter zu unterschiedlich und die Gelegenheiten, sich zu treffen, zu selten –, aber es war ein sehr positives nachbarschaftliches Verhältnis entstanden. Die Tatsache, dass Nedashde zu dieser Stunde hier auftauchte, überraschte Rahel nicht besonders. Abgesehen davon, dass die junge Frau über ein gehöriges Maß an Grips verfügte, hörte sie mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ebenfalls den Militärfunk ab.
Tooma musterte die Farmerin, als sie bei ihr ankam. Sie musste ihren Gleiter außerhalb des Sicherheitsperimeters abgestellt haben und war dann mit dem allgemeinen Zugangscode bis hierher vorgedrungen. Es war ein Beweis für Toomas Vertrauen in Nedashde, dass sie ihr diesen Code gegeben hatte.
Die junge Frau trug neben ihrem Arbeitsoverall einen Rucksack und eine Whitley 6.5, ein langläufiges Jagdgewehr, das auf Lydos sehr beliebt war. Auch Tooma konnte der Waffe einiges abgewinnen, da sich mit ihr auf große Entfernung akkurat treffen ließ. Nedashde konnte seit ihrer Kindheit mit dem Gewehr ausgezeichnet umgehen, das hatte sie Tooma in kleinen Zielwettbewerben des Öfteren unter Beweis gestellt. Mit etwas Training hätte Tooma sie in besseren Zeiten für das Scharfschützencorps des Marineinfanteriedienstes vorgeschlagen. Nun war sie froh, dass die Fähigkeiten ihrer Nachbarin dort nicht verschwendet wurden.
»Du hast gepackt?«, fragte Tooma anstatt einer Begrüßung. Nedashde nickte, lächelte, und legte den Rucksack ab, ehe sie auf Toomas Kampfrüstung wies.
»Du auch.«
»Aus den gleichen Gründen?«
»Das nehme ich an. Ich benötige Schutz und habe mir gedacht, dass ich den am besten bei dir finde.« Nedashde wies auf den Rucksack. »Ich habe Konzentratnahrung für drei Wochen, vier Kartons Munition für die Whitley und strapazierfähige Ersatzklamotten. Dazu einiges an Kleinkram aus der Survivalkiste meiner Eltern. Alles, was ich verpacken und tragen kann. Nimmst du mich auf?«
Tooma erwiderte das Lächeln der jungen Frau.
Sie wusste schon, warum ihr Nedashde so sympathisch war. Sie war selbstbewusst und gleichzeitig praktisch und vernünftig veranlagt. Und sie war intelligent: Sie hatte die Verlautbarungen der Regierung offenbar ähnlich interpretiert wie Tooma und beschlossen, bereit zu sein, so weit das hier in der Ebene überhaupt möglich war. Als sie dann den Militärfunk abgehört hatte, war sie zu dem Schluss gekommen, dass sie nirgendwo besser vorbereitet war als in der Gesellschaft einer ehemaligen Marineinfanteristin. Außerdem kannte sie den Lexington und hatte wahrscheinlich vermutet, dass Rahel noch so einiges in ihrem Schuppen verbarg.
»Du bist jederzeit willkommen. Wir schlafen im Lexington.«
Nedashde warf
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