Tentakel-Trilogie 1: Tentakelschatten
und Beharrlichkeit aus, die ihn während seiner gesamten Karriere gekennzeichnet hatte. Unbeugsam hatte er die Interessen der großen Handelsfamilien vertreten und beharrlich den alleinigen Herrschaftsanspruch Terras in der Irdischen Sphäre durchgesetzt. Er war jederzeit bereit gewesen, über Leichen zu gehen, und er machte keine Unterschiede darin, ob es sich um die des Feindes oder die seiner Untergebenen handelte. Seine Verbindungen, seine ausgesuchte Ruchlosigkeit und seine hohe Intelligenz waren dafür verantwortlich, dass er als Admiralsstabschef die Geschicke der Sphärenflotte leitete, und das unangefochten seit dem Ende des letzten Kolonialkrieges. Sikorsky war eine lebende Legende. Selbst seine Bewunderer fürchteten ihn, und es schien, als sei diese Furcht das Elixier, das ihm die Kraft gab, weiterhin an der Spitze der Streitkräfte zu stehen.
Lieutenant-Colonel Tamara Lik betrachtete diese lebende Legende von ihrem Sitzplatz in der zweiten Reihe. Um den großen Admiralitätstisch war eine doppelte Stuhlreihe gruppiert. Auf der ersten, direkt an dem gigantischen Möbelstück aus dunkelbraunem, glatt poliertem Holz, saßen die Admirale und Generäle, siebzehn an der Zahl, die mächtigsten Menschen in der Sphäre direkt nach dem Direktorium. Manche meinten, noch vor dem höchsten politischen Gremium. Tamara Lik hatte lange genug als Stabschefin von Admiral Suchowka gedient, um gelernt zu haben, dass es komplizierter war: eine seltsame und immer wieder neu auszutarierende Balance zwischen zwei Machtzentren, die aufeinander angewiesen waren und doch in einem Konkurrenzverhältnis standen. Dazu kamen dann noch die zahlenmäßig unterrepräsentierten Generäle, die sich traditionell untergebuttert fühlten und sich periodisch darüber beschwerten, dass es Admiralsstab hieß und keine Rücksicht auf die Bodentruppen genommen wurde. Sikorsky nahm keine Rücksichten. Die Kritik wurde im Regelfalle auch nur sehr leise und vorsichtig geäußert.
In der zweiten Reihe saßen Offiziere wie sie: Stabschefs und Aide-de-camps der Admirale, schweigende Beobachter, Informationszuträger, flüsternde Berater, die manchmal eine eigene Meinung haben durften und manchmal nicht. Admiral Suchowka hatte Tamara immer erlaubt, eine eigene Ansicht zu vertreten, aber nur im privaten Gespräch unter vier Augen. Er wusste, dass es gefährlich war, ja mitunter tödlich, Sikorskys Unwillen auf sich zu ziehen, und sowohl seine eigenen wie auch Liks Ansichten waren durchaus dazu geeignet, genau diesen Effekt hervorzurufen.
An der Kopfseite des Raums hing das große Wappen der Sphärenflotte. Der Sessel darunter, mit der extra hohen Lehne und den breiten, ausladenden Armstützen, war Sikorskys Thron. Alle nannten ihn so, auch offen. Dass der Admiral gegen diese Bezeichnung offenbar nichts einzuwenden hatte, sagte so einiges über seine Geisteshaltung aus.
Sikorsky war ein hagerer, fast dürrer Mann von nunmehr 69 Jahren. Seine hervorspringende Hakennase dominierte das schmale Gesicht. Seine Augen wirkten wie dunkle Kohlenstücke, die brannten, wenn der Admiral sich erregte. Sikorsky wirkte, als würde er jeden Muskel seines Körpers bis zur absoluten Perfektion beherrschen, und seine Bewegungen waren stets exakt und abgezirkelt. Exakt war auch seine Ausdrucksweise. Der Admiral konnte auf seiner gut modulierten Stimme spielen wie auf einem Instrument. Die einzige nachlässig erscheinende Geste war das gelegentliche Zurechtzupfen seiner an sich perfekt sitzenden, makellos sauberen Uniform, doch auch das konnte ein bewusster Manierismus sein. Der Admiral war ein guter Schauspieler, und das musste er auch sein, denn er war ebenso Militär wie Politiker.
»Meine Damen und Herren, wir kommen nun zum nächsten Punkt auf unserer Tagesordnung. Admiral Suchowka bitte.«
Liks Vorgesetzter erhob sich schwerfällig. Er machte immer diesen Eindruck: Langsam, behäbig, etwas unbeholfen, benötigte für alles etwas Anlauf. Seine äußere Erscheinung mit dem massigen Körper, dem runden Kopf und den überraschend groß wirkenden Kulleraugen mochte dazu einen Beitrag leisten, es konnte keinen größeren Kontrast in der äußeren Erscheinung und im Auftreten geben als zwischen Sikorsky und Suchowka. Lik wusste, dass dieser Eindruck täuschte. Hinter der wulstigen Stirn befand sich ein hellwacher, schneller Verstand und mindestens die Hälfte des Habitus, der für den gegenteiligen Eindruck sorgte, war ein von Suchowka sorgsam gepflegtes Schauspiel. Darin
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