Tentakel-Trilogie 1: Tentakelschatten
argumentieren fiel ihr schwer und war ungewohnt.
»Das ist möglich«, räumte sie schließlich betont ruhig ein. »Und es ist ein Grund mehr, eine Erkundungsmission auszusenden. Wenn nach uns gesucht wird, dürfen wir nicht warten, bis wir gefunden werden. Wir müssen ein Frühwarnsystem etablieren, und das geht nur, wenn wir uns mit dem Terrain vertraut machen. Es ist zu spät, wenn uns die Tentakel gefunden haben. Wir brauchen Fluchtrouten …«
»Wir haben Gleiter!«, widersprach Kavaczek. Rahel zeigte nicht, dass sie über die ewigen Unterbrechungen ungehalten war.
»Noch, ja. Aber nur wenige Ersatzteile und kaum Chancen, Beschädigungen zu reparieren. Zwei Gleiter haben bereits einiges abbekommen, nur der Executor ist bisher ohne Schäden geblieben. Wir müssen auch für den Fall planen, dass wir zu Fuß zu entkommen haben. Wir brauchen alternative Lagerorte, wohin wir dann fliehen können. All dies muss erkundet werden. Damit können wir nicht warten. Ich wiederhole mich daher: Wir werden mit einem Team rausgehen, und zwar zu Fuß, um die Gegend zu erkunden. Ein zweites Team wird mit dem Executor ausfliegen, um alternative Fluchtorte zu identifizieren und gegnerische Bewegungen auszuspähen. Team 1 wird von Li zusammengestellt, Team 2 von mir. Ich brauche nur einen Begleiter, der mit einem bewaffneten Gleiter umgehen kann, daher bitte ich Dolcan um seine Mitarbeit.«
Dolcan, der Pilot des Polizeigleiters, nickte knapp. Er war verhältnismäßig jung, aber kein Frischling mehr, und er hatte vor seiner Polizeikarriere zwei Jahre Dienst in der Kolonialarmee abgeleistet. Er wirkte schlank, war aber recht muskulös und schien auf die Leistungsfähigkeit seines Körpers zu achten. Seine dunkelbraunen Augen zeigten die Art von Wachsamkeit, die Rahel bei vielen guten Piloten bemerkt hatte, und daher hatte sie recht spontan Vertrauen zu dem Mann gefasst.
Dann wanderte Rahels Blick wieder zu Kavaczek und sah ihn fragend an. Er neigte den Kopf und setzte sich wieder. Der Disput war beendet, und Rahel hatte gewonnen.
»Nedashde, bitte gib uns einen Überblick über die Vorratslage!«
Die junge Frau erhob sich und schaute Rahel kurz an, ehe sie die Versammlung ins Auge fasste. Seit ihrer ersten Liebesnacht waren drei Tage vergangen. Sie hatte sich seitdem einmal wiederholt, weitaus ruhiger, sinnlicher, aber mit nicht weniger Leidenschaft. Seit dieser Zeit fühlte Rahel eine neue Quelle der Kraft in ihrem Leben, und Nedashde gab mit einer Intensität, wie Tooma es noch in keiner Beziehung erlebt hatte. Es machte auch schwierige Situation erträglich, und das galt vor allem für die 14-15stündigen Arbeitstage, die Rahel absolvierte, um die Herausforderungen ihrer kleinen Fluchtgemeinschaft zu bewältigen.
Nedashde hatte außerdem ihr organisatorisches Talent in den Dienst der Flüchtlinge gestellt und Stunden damit verbracht, Vorräte zu inventarisieren, durchschnittlichen Verbrauch abzuschätzen und den Verwaltungsrechner der Festung wieder zu reaktivieren, um eine zuverlässige Haushaltsführung zu gewährleisten. Sie hatte die Zahlen zusammengefasst und obgleich Rahel in ihrer Auseinandersetzung mit Kavaczek bereits einige wichtige Aussagen als Argumente hatte anführen müssen, war es wichtig, den Ernst der Lage darzustellen.
Darum hatte Rahel sie gebeten.
Nedashde holte tief Luft.
»Wie Marechal Tooma eben bereits angedeutet hat, sind unsere Vorräte begrenzt. Ich habe zentrale Ressourcen, die uns zur Verfügung stehen, aufgelistet und kann abschätzen, was wir davon verbrauchen werden. Unser größtes Problem sind die Nahrungsmittel, und das auch, wenn wir das Rationierungssystem fortsetzen. Wir haben Kinder und Jugendliche unter uns, bei denen eine Rationierung schnell an ihre Grenzen stößt. Außerdem muss eine Mangelernährung vermieden werden, weil wir sonst unsere Fähigkeit, effektiv zu handeln und auf Bedrohungen zu reagieren, einbüßen. Nach meinen derzeitigen Schätzungen reichen unsere Nahrungsvorräte noch etwa zwei Wochen. Bei extremer Rationierung vielleicht drei. Ein zweites Problemfeld sind Medikamente. Wir stehen besser da als erwartet, da die meisten Familien auf der Ebene umfassende Hausapotheken hatten und diese auch mitgebracht haben, darüber hinaus enthalten die Depots, die der Marechal angelegt hat, auch noch etwas, die müssen wir aber erreichen. Wenn keine außergewöhnlichen Dinge geschehen, reichen die Medikamente ein halbes Jahr, vielleicht auch etwas länger. Eng wird es,
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