Tentakel-Trilogie 1: Tentakelschatten
sollte es wieder zu Kampfhandlungen und zu Verletzungen kommen. Und das vor allem angesichts der Tatsache, dass wir offenbar nicht in der Lage sind, Kampfwunden, die durch direkten Tentakelangriff geschlagen wurden, effektiv zu behandeln. Euch ist ja bereits deutlich gemacht worden, dass es in solchen Fällen nur noch um Sterbehilfe gehen kann.«
Für einen Moment herrschte betretenes Schweigen in der Runde. Alle waren über die Gefahr, die durch eine Infektion bei Kämpfen entstehen konnte, schonungslos informiert worden. Die Anzahl der Freiwilligen für Außeneinsätze war dadurch rapide gesunken. Ein Grund mehr, warum Rahel Dolcan freundlich um seine Mitarbeit gebeten hatte. In gewisser Hinsicht musste Rahel die Abenteuerlust unter den Waffenfähigen der Gruppe wieder neu wecken. Aber sie konnte nicht alles alleine machen, auch nicht nur mit Lis Unterstützung. Dolcan schien zu denen zu gehören, die bereit waren, ein persönliches Risiko einzugehen, aber das war nicht von Jedem zu erwarten. Und Befehle, das lernte Rahel langsam, konnte sie nur in begrenztem Maße durchsetzen.
Nedashde fuhr fort.
»Wir haben auch bei anderen Verbrauchsmaterialien nur begrenzte Vorräte, das gilt vor allem für Kleidung, Alltagsgegenstände, allerlei Reparaturmaterial, Werkzeuge und derlei. Da gibt es keine unmittelbare oder absehbare Not, aber wir müssen verstärkt Fragen des Verschleißes sowie der Pflege stärker in den Vordergrund rücken. Für manche unserer Werkzeuge wird es auf absehbare Zeit keinen Ersatz geben, wir müssen daher mit dem, was wir haben, sorgsam umgehen.«
Rahel sah nur zufriedene Gesichter in der Versammlung. Die Farmer der Großen Ebene waren es gewöhnt, mit dem, was sie hatten, sorgfältig umzugehen, denn auch zu Friedenszeiten war der Weg in die Hauptstadt weit und waren die Preise für Ersatz hoch. Mit alledem kamen sie gut zurecht, und es war weitaus weniger verwirrend als Fragen von militärischer Taktik, Frühwarnsystemen, Fluchtwegen und ähnlichem. Rahel genoss hier den größten Vertrauensvorschuss und wollte diesen auch nutzen, wenngleich sie sich nicht sicher war, ob sie in dem Maße Sicherheit gewährleisten konnte, wie dies von ihr erwartet wurde.
Nedashde nickte Tooma zu und diese ergriff wieder das Wort.
»Danke für diesen knappen Überblick. Gibt es dazu Fragen?«
Niemand rührte sich.
»Sie sehen also, dass wir Vorsorgen müssen. Alle Bestandslisten, die von Nedashde erstellt worden sind, werden im Anschluss an diese Sitzung hier im Raum ausgehängt, außerdem steht sie für Nachfragen zu bestimmten Produkten zur Verfügung. Ich möchte hier größtmögliche Transparenz herstellen, um klar zu machen, wie die Situation eben ist. Li wird sein Team im Verlauf des Abends zusammenstellen und mögliche Kandidaten persönlich ansprechen.«
»Ich melde mich freiwillig!«
Das war Kavaczek gewesen. Rahel nickte ihm zu. Der Intendant wollte offenbar tatsächlich nicht als Nörgler dastehen, sondern zeigen, dass es ihm um die Sache ging. Das war Tooma nur recht. Auch Li schien die Meldung des Polizisten akzeptabel zu finden.
»Während meiner Abwesenheit wird die Leitung der Festung durch ein Gremium übernommen, das aus Nedashde, Alwa sowie Sergent Diliberto bestehen wird.« Der dritte Polizist, ein dicker, behäbig wirkender Mann, war nicht gerade der ideale Mann für eine Außenmission, strahlte dafür aber ein gewisses Maß an natürlicher Autorität aus und hatte sich als recht guter Organisator erwiesen. Er war der am besten geeignete Kandidat für den klassischen Kastellan, der die Burg verwaltete, während der Baron in die Ferne ritt.
Oder die Baroness.
»Dann ist soweit alles klar, ich schließe die Sitzung. Ich bin jederzeit für jeden zu sprechen, das wissen Sie. Lassen Sie uns zusammenarbeiten, damit wir gemeinsam überleben.«
Rahels letzte Worte waren bereits im allgemeinen Aufbruchsgemurmel untergegangen. Nedashde gesellte sich zu ihr und lächelte.
»An deinen feurigen Reden musst du noch arbeiten.«
»Ich hatte damit früher nie ein Problem.«
»Eine Kompanie Marinesoldaten benötigt zumeist keine ausgefeilte Rhetorik der Ansprache, oft reicht da nur Lautstärke«, feixte Nedashde.
»Du unterschätzt das Militär.«
»Naja, sonst hättest du es ja kaum bis zum Marechal gebracht …«
Rahel knuffte die Farmerin in die Seite.
»Werd nicht frech!«
»Und du werde nicht übermütig.«
Ein sorgenvoller Schatten legte sich über Nedashdes Gesicht.
»Pass auf dich
Weitere Kostenlose Bücher