Tentakel-Trilogie 1: Tentakelschatten
die guten alten Tugenden militärischer Spähtrupps in die Praxis umsetzte, Tugenden, von denen Li einige in der Praxis des Kolonialkrieges zu schätzen gelernt hatte. Rahel hatte da volles Vertrauen in ihn.
Außerdem blieb ihr auch gar nichts anderes übrig. Dolcan musste im Umgang mit dem Executor geschult werden. Wenn es sie erwischte, würde der Gleiter sonst ein obsoletes Stück Hardware sein, mit dem niemand etwas anfangen konnte. Das wäre mehr als nur Verschwendung von Ressourcen, es wäre haltloser Leichtsinn und völlige Dummheit. Dolcan bot die besten Voraussetzungen, um als ihr Ersatz zu fungieren, und je weiter sie flogen, desto besser stellte er sich an. Er hatte das richtige Gefühl für so eine mächtige Maschine. Er unterschätzte wahrscheinlich ihre Beschleunigungswerte und ihre Wendigkeit, weil er sie unbewusst mit einem der Mannschaftstransporter der Polizei gleichsetzte, aber das würde sich ändern. Der Executor war eine auf den Kampf hin gezüchtete Maschine, und das war weitaus mehr, als ein langweiliger Transporter von sich behaupten konnte, ob er nun die Insignien der Polizei trug oder nicht.
»Wir legen mal einen Zahn zu«, schlug Rahel vor. Dolcan nahm das sofort als Anweisung, außerdem schien er Gefallen am Executor gefunden zu haben. Er schob den Triebwerkshebel sanft nach vorne, das bisher kaum hörbare Wummern vom Heck wurde um eine Nuance lauter und die Geschwindigkeit erhöhte sich merklich.
»Wir machen einige enger werdende Kurven bei gleich bleibendem Tempo!«, wies Rahel nun an. Der Pilot reagierte prompt. Er schien bestrebt, so schnell wie möglich so viel wie möglich zu lernen. Eine Einstellung, mit der Tooma gut zurecht kam.
In der folgenden Stunde forderte Tooma den Piloten zu langsam immer komplexeren Manövern heraus. Dabei behielt sie die Ortungsanzeigen aufmerksam im Auge, aber es war weder in der Luft noch auf dem Boden irgendeine Bewegung erkennbar, die man als militärische Aktivität deuten konnte. Tatsächlich war der Himmel wie leergefegt. Dolcan machte seine Sache sehr gut und Rahel fasste mehr und mehr Zutrauen zu seinen fliegerischen Fähigkeiten. Der Pilot wirkte zu keinem Zeitpunkt übermütig und hielt sich exakt an ihre Anweisungen, was für Tooma ein Hinweis auf sein Verantwortungsbewusstsein war. Dolcan war ohne Zweifel ein Glücksfall.
Sie waren rund eine Stunde unterwegs, ohne auch nur die leisesten Anzeichen einer gegnerischen Bewegung gesehen zu haben. Schließlich hatten sie trotz aller Übungsmanöver auch das Gebiet erreicht, in dem sich eines der von Tooma angelegten Depots befand. Dolcan landete den Executor und Rahel bedeutete ihm, startbereit im Cockpit zu bleiben. Sie selbst hatte bereits die volle Kampfrüstung angelegt und sprang mit vorgehaltenem Sturmgewehr aus der hinteren Luke des Kampfgleiters. Für einen Moment tat sie nichts weiter, als geduckt neben dem Fahrzeug zu hocken und ihre Umgebung mit allen Sinnen zu beobachten. Es war nichts Ungewöhnliches zu bemerken.
Mit wenigen Sätzen war sie an den beiden großen Kunststoffkisten angekommen, die unter einem Tarnnetz verborgen waren. Hätte sie nicht genau gewusst, dass sie hier standen, wäre ihr angesichts der ausgezeichneten Tarnung kaum etwas aufgefallen. Im Zwielicht des Dschungels waren die abgedeckten Kisten so gut wie nicht auszumachen.
Sie zog das Netz beiseite und fand die Container unbeschädigt. Einen öffnete sie. Abgepackte Nahrungskonzentrate, Munition für Sturmgewehre, Campingausrüstung, eingeschweißte Overalls, mehrere Erste-Hilfe-Kästen. Alles war unbeschädigt und in gutem Zustand, etwas anderes hatte sie auch nicht erwartet.
»Dolcan!« Es knackte in ihrem Helm.
»Marechal?«
»Komm raus und hilf!«
Der Polizist folgte ihrem Kommando unmittelbar. Zufrieden beobachtete Rahel, dass der Mann nicht vergaß, seine Polizeirüstung anzulegen und ebenfalls ein Marine-Sturmgewehr mit sich zu führen. Es unterschied sich nur unwesentlich von den Gewehren, die bei der Polizei im Einsatz waren und Dolcan hatte sich mit der Militärwaffe schnell vertraut gemacht.
Sie schleppten die Container in den Kampfgleiter. Niemand störte sie dabei. Einige kleinere Dschungeltiere beäugten das für sie suspekte Betreiben aus sicherer Entfernung, ohne auch nur im entferntesten daran zu denken, sich einzumischen. Die einzigen Raubtiere, die sich möglicherweise dazu hätten überwinden können, die beiden Menschen zu attackieren, waren offenbar nicht in der Gegend, oder
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