Tentakel-Trilogie 1: Tentakelschatten
aber auch, dass sie ein besonderes Augenmerk auf das Nahen eben solcher Patrouillen legen musste.
Damit hatte sie, wie sie schnell feststellen durfte, absolut Recht.
Glücklicherweise hielten die Tentakel nichts von Tarnen und Täuschen.
Als sie zehn Minuten später auf die erste Patrouille traf, kündigte sich diese durch etwas an, was ihr Ausbilder schlicht als »ohrenbetäubendes Getöse« bezeichnet hätte. Tatsächlich wäre das Geräusch der sich nähernden Aliens für das ungeübte Ohr aus dem Pegel der Umgebungslaute kaum heraus zu hören gewesen, doch Toomas Gehör war alles andere als ungeübt und die Tatsache, dass vor allem Vögel mit ihren Lauten aufhörten, je näher die offenbar gut bemannte Patrouille sich den Weg durch das Unterholz bahnte, trug dazu bei. Sobald Rahel sich sicher war, dass Tentakel unterwegs waren, suchte sie sich eine geeignete Deckung, verhielt sich völlig still und versuchte, Richtung und Geschwindigkeit abzuschätzen.
Es waren viele. Ein Dutzend bestimmt. Und sie drangen seitlich von ihr in den Dschungel vor. Mit etwas Glück würde die Patrouille etwa zwanzig Meter von ihr entfernt vorbeimarschieren. Wenn sie sich ruhig verhielt und abwartete, konnte sie die Tentakelkrieger vielleicht sogar beobachten und daraus Erkenntnisse gewinnen.
Es dauerte keine Minute, dann war der Feind heran. Rahel hatte sich verschätzt, aber nicht sehr. Die Patrouille ging an ihr vorbei, allerdings näher und schneller als vermutet. Die mächtigen Körper der Tentakelkrieger bahnten sich mit rücksichtsloser Selbstsicherheit ihren Weg durch das Gehölz. Es war klar, dass sie nichts und niemanden fürchteten und offenbar auf ihre eigene, Furcht einflößende Präsenz setzten. Tooma vermochte es ihnen gar nicht einmal verübeln, denn die imposanten Gestalten wirkten in der Tat ausgesprochen bedrohlich. Doch diese Nonchalance, mit der die Krieger jede Grundregel der Fortbewegung im Dschungel missachteten, zeigte noch etwas viel Gefährlicheres: Die Tentakel waren es nicht gewohnt, zu verlieren.
Wären sie jemals in ernsthafte Gefahr geraten, hätten sich andere Verhaltensweisen gezeigt, Verhaltensweisen, wie sie Rahel Tooma an den Tag legte und die gerade ihr Leben retteten. Die brachiale Gewalt, die die Tentakel an den Tag legten, war eine Botschaft: Uns kann keiner etwas anhaben! Gleichzeitig war es eine Gefahr, denn hätte Tooma nur ein Dutzend gut ausgebildeter Marinesoldaten dabei gehabt, die Patrouille wäre in kurzer Zeit ausgelöscht gewesen. Trotz dieser Erkenntnis wollte sich bei Tooma jedoch keine Zufriedenheit über ihre Erkenntnis einstellen: Eine weitere Möglichkeit für die relative Sorglosigkeit des Vorgehens ihrer Gegner konnte sein, dass sie schlicht nicht mehr mit Widerstand rechneten und in ihrer Kalkulation alle militärische Gegenmacht auf dieser Welt ausgelöscht hatten. Traf dies zu, waren Tooma und ihre Flüchtlinge in der Tat völlig auf sich allein gestellt. Und noch eine weitere Erklärungsvariante schoss durch ihren Kopf, als die Patrouille geräuschvoll an ihr vorbeizog und sich langsam wieder entfernte: Tentakelkrieger waren möglicherweise eine Ressource, die zu verschwenden sich die Oberbefehlshaber der Aliens leicht leisten konnten. Ob eine Gruppe von Soldaten in einem Hinterhalt ausgelöscht wurde oder nicht, war dann weitgehend irrelevant, da genügend Truppen bereit standen, um jeden Widerstand durch bloße Übermacht zu erdrücken. Auch das war keine besonders attraktive Überlegung und machte Toomas Situation eher noch schwieriger. Was nützte einem die beste Fluchtfestung, wenn der Feind mehr als genug Truppen aufbieten konnte, um jede Verteidigungsstellung zu überrennen? Oder gar schwere Waffen einzusetzen bereit war, um den Feind schlicht auszulöschen?
Tooma beendete ihre Überlegungen, als der letzte Tentakelkrieger an ihr vorbei im Dickicht verschwunden war. Es galt, sich auf das Nahe liegende zu konzentrieren. Taktische und strategische Überlegungen grundsätzlicher Natur konnte sie diskutieren, wenn es Zeit dafür war.
Sie wartete noch einen Moment, dann setzte sie sich wieder in Bewegung. Die Tentakel hatten eine breite Schneise in das Unterholz geschlagen, die sie tunlichst schnell überquerte, um dann wieder mit dem Dschungel zu verschmelzen.
Weiter arbeitete sie sich vor, immer auf ihre Umgebung achtend. Es war still geworden im Dschungel, die Tentakelpatrouille schien zumindest auf die Fauna einen gehörigen Eindruck gemacht zu haben. Nur
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