Tentakel-Trilogie 2: Tentakeltraum
ab!«
»Marechal!«, rief Dolcan aus.
»Abnehmen, sage ich!«, fuhr ihre Stimme schneidend dazwischen. Es klickte, als ihrer Anordnung Folge geleistet wurde.
»Das da ist Ihr Rucksack?«, fragte sie Wieland und deutete.
Der Mann nickte.
Tooma sah Maschek an. »Ist da irgendwas drin, was nur er getragen hat und von Bedeutung ist?«
»Nein.« Tooma sah, dass Maschek bereits ahnte, was sie vorhatte, und wenn sie seinen Gesichtsausdruck richtig deutete, stimmte er diesem Vorgehen zu. Sie wandte sich wieder an Wieland.
»Nehmen Sie den Rucksack auf. Maschek, sein Gewehr bleibt hier. Geben Sie mir seine Pistole. Drei Magazine. Entladen Sie die Waffe vorher.«
Maschek tat, wie ihm geheißen. Rahel wog den Griff der Waffe in ihrer Rechten.
»Sie hören mir jetzt gut zu, Sergent. Ich gebe Ihnen, was Sie in Ihrem Rucksack tragen und ich überlasse Ihnen diese Waffe. Ich möchte Sie niemals in meinem Leben wieder sehen. Sie werden sich einem unserer Lager niemals auf mehr als zwei Kilometer nähern. Sie werden niemals einen meiner Leute ansprechen oder zu kontaktieren versuchen. Sie werden niemals zu uns zurückkehren dürfen und müssen sich alleine durchschlagen.«
Sie hatte dem Mann das Exil statt des Todes angeboten. Ob der Unterschied tatsächlich so groß war, vermochte Rahel nicht zu sagen. Für einen Moment glaubte sie, in Wielands Augen so etwas wie Respekt aufblitzen zu sehen. Er neigte den Kopf.
»Ich werde mich daran halten.«
Rahel glaubte ihm. Sie überreichte ihm die Waffe, die er sofort in das Holster steckte, welches er dann betont verschloss. Maschek stopfte drei Magazine in den Rucksack und half Wieland, ihn aufzunehmen.
»Gehen Sie jetzt, ehe ich es mir anders überlege!«, befahl Tooma.
Sofort bildete sich eine Gasse in der Gruppe der Flüchtlinge. Unter deren feindseligen Blicken drehte sich Wieland wortlos um und marschierte von der Lichtung. Die Augenpaare verfolgten ihn erst dann nicht mehr, als er im Dickicht verschwunden war.
Tooma starrte ihm schon lange nicht mehr nach. Ihr Blick ruhte auf dem leblosen Körper Lis.
»Wir begraben ihn«, murmelte sie tonlos.
»Und dann brechen wir das Lager ab. Hier hält uns nichts mehr.«
7 Ambius
Der Adel des Tentakelfürsten hatte sehr viel mit Abstammung zu tun. Ein Grund mehr, genau auf die Qualität von Setzlingen und die genetische Reinheit dessen zu achten, was letztendlich in den Gewächshäusern herangezogen wurde. Die genetische Reinheit, die den Adel seiner Abkömmlinge ausmachte, hatte nicht nur etwas mit der DNA zu tun, die sorgsam von den Gärtnern gepflegt und weiter entwickelt wurde. Sie lag auch in der Reinheit der Gärtner selbst, die selbst einen Adel eigener Art hatten, und ihr Privilegien dadurch erhielten, dass sie an der eigenen Fortpflanzung mit exakt der gleichen Sorgfalt arbeiteten wie an der ihres Fürsten.
Der Samen des Tentakelfürsten war während des Großen Fluges an Bord des Saatschiffes gelagert, in Stasis, wie der so vieler anderer auch. Nur in einem Schiff der Saatflotte war ein Tentakelfürst wach und aktiv gewesen, das war für die Überfahrt mehr als ausreichend. Jetzt, da die Flotte auf festem Boden gelandet und die kostbare Fracht ausgeladen hatte, jetzt, da der Dünger gesammelt und gehegt und die Pflanzungen angesetzt wurden, gab es zunehmend mehr Fürsten, je nach Aufgabengebiet und Abstammung. Sie teilten die Welt unter sich auf, abgegrenzt in vor Jahrhunderten festgelegten Territorien, die sie sich aufgrund ihrer Abstammung verdient hatten. Und alle kamen sie zusammen im Ernterat, der über all jenes entschied, was die Welt und das System als Ganzes betraf.
Tentakelfürsten reisten nicht gern. Normalerweise verhandelten sie untereinander mit Worttentakeln, die sie eigens zu diesem Zwecke züchteten, schwache, schmale Kreaturen, die ein Kriegertentakel im Vorbeigehen niederschmettern konnte. Doch das war bewusst so gewählt, denn die Worttentakel sollten niemals bedrohlich wirken oder in der Lage sein, am Hofe eines anderen Fürsten Gewaltakte durchzuführen. Das hatten die Tentakel über die Äonen gelernt, und so sprachen sie miteinander über die geschmeidigen, wohl gesetzten Worte ihrer Emissäre. So wie sie untereinander konferierten, konferierten sie auch über den Tentakeltraum zwischen den Welten und weiter zurück, bis in die Wurzelwelt.
Doch wenn sehr wichtige, sehr entscheidende Dinge besprochen werden mussten, bewegten auch Tentakelfürsten ihre mächtigen, graugrünen Körper.
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