Tentakel-Trilogie 2: Tentakeltraum
beschritten hatte. Hier war er ihr an Kompetenz eindeutig überlegen. Sie akzeptierte seinen Einwand klaglos.
Während Li den Rest der Gruppe genauer über ihre zu erwartende Verstärkung informierte, versuchte Rahel, sich über ihr weiteres Vorgehen klar zu werden. Natürlich würde es weitere Aktionen gegen die Aliens geben, denn wenn nicht, wäre ihre Existenz auf bloßes Überleben reduziert, mit sehr negativen psychologischen Folgen. Andererseits gingen ihr langsam die Ziele aus: Auch für die Tentakel war die Dschungelebene nur ein Nebenkriegsschauplatz, eine unwichtige Ecke auf einer gigantischen Welt, und außer den Flüchtlingen gab es hier wahrscheinlich keine lebende Seele mehr, die noch nicht in einem der Gewächshäuser der Invasoren gelandet war. Den Winter über würde man sich sicher noch hier verbergen müssen, nicht zuletzt, weil hier die Vorräte gelagert waren. Aber dann bedurfte es einer neuen Strategie und vor allem neuer Vorräte, denn nicht alles, was benötigt wurde, konnten sie aus der Natur gewinnen.
Rahels Gedanken wanderten zu dem Kommunikator, den Maschek erwähnt hatte. Ein hochspezialisiertes Gerät, das sogar die Ausrüstung des Executors an Reichweite und Verschlüsselungsfähigkeit übersteigen dürfte. Und, was noch viel wichtiger war: Es verfügte über den eingebrannten Sicherheitscode des Gouverneurs und würde daher sehr dienlich sein, sich gegenüber eventuell anfliegenden terranischen Schiffen zu identifizieren. Das Gerät hätte allerdings schon längst über die Echokontrolle gemeldet, wenn sich ein irdisches Raumfahrzeug in die Nähe von Lydos begeben hätte, und in der Tat hielt Rahel die Chancen für sehr gering, dass dies jemals passieren würde. Dennoch, es war ein Stück Hoffnung: So es denn doch einmal geschehen sollte, würden sie in der Lage sein, effektiv und direkt – und mit etwas Glück sogar unbemerkt – um Hilfe zu rufen.
Es dauerte keine anderthalb Stunden, als Maschek mit drei Männern in das Lager zurückkehrte. Sie hatten sich erkennbar beeilt, wirkten etwas außer Puste. Sie schleppten große Rucksäcke auf ihren Rücken mit sich, hatten zahlreiche Beutel und Taschen an ihre Gurte gehängt und stolperten mehr auf die enge Lichtung, als sie marschierten. Hilfreiche Geister eilten herbei und nahmen ihnen das Gepäck ab, während Rahel und Li sich die Szene mit etwas Abstand ansahen. Zwei der drei Milizionäre waren blutjung, wahrscheinlich erst kurz vor dem Beginn der Invasion rekrutiert worden. Sie wirkten erschöpft und geschwächt, waren aber ganz offenbar für den Zuspruch, der ihnen entgegen gebracht wurde, ausgesprochen dankbar, vor allem, da die älteren der Jugendlichen von ihrem eigenen Alter sicher nicht mehr als vier bis fünf Jahre entfernt waren. Bald entwickelten sich angeregte Gespräche, es kam zum ersten Gelächter, und Nahrung wie Getränke wurden gereicht. Rahel hatte ein gutes Gefühl, als sie dies beobachtete. Diese beiden würden kein Problem darstellen. Noch als Maschek sich zu ihr und Li gesellte, fiel ihr Blick auf den dritten Milizionär. Er war deutlich älter, ein graubärtiger Unteroffizier mit Bauchansatz und weißen Strähnen im Haar. Die Art und Weise, wie er seine Ausrüstung behandelte, zeigte, dass er sich den Bauch durch allmählichen Ruhestand nach einer sehr aktiven Phase im Einsatz redlich verdient hatte. Rahel wollte sich gerade über einen weiteren erfahrenen Unterführer freuen, als dieser den Kopf hob, Li erblickte und einen kaum unterdrückten Schrei ausstieß.
Dann ging alles sehr schnell.
Mit einer geübten, schnellen Bewegung glitt eine Handfeuerwaffe in die Rechte des Milizionärs, und in direkter Fortsetzung dieser Bewegung richtete er die Mündung auf Li. Noch ehe dieser ausweichen konnte, bellte die Waffe scharf auf, einmal, zweimal. Zwei rote Flecken erschienen auf Lis Brust, er taumelte zurück, starrte ungläubig an sich herab und sackte dann haltlos zu Boden. Beinahe gleichzeitig hatten sich Maschek und Rahel auf den Mann gestürzt, ihn überwältigt, die Waffe aus der Hand geschlagen und auf den Boden gepresst.
Er wehrte sich nicht, starrte ergeben auf Rahels Stiefel, die neben seinem Gesicht im Dreck standen.
Chaos brach im Lager aus, und Dolcan und Kavaczek hatten alle Hände voll zu tun, die Leute zu beruhigen. Handschellen schnappten um die Gelenke des Schützen, dann wurde er von Maschek brutal auf die Beine gerissen und laut angeherrscht: »Wieland! Was soll dieser Scheiß? Bist du
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