Tentakel-Trilogie 2: Tentakeltraum
der diplomatischen Mission nach Lydos zu bemühen – wenngleich seine Bemühungen darauf begrenzt waren, kategorisch sein Interesse zu äußern und dem Verbindungsoffizier Frazier das Lobbying zu überlassen – und sich durch die aufgenommenen Datenmengen zu arbeiten.
Für Außenstehende hatte sich nichts verändert. Stunden und Tage hatte DeBurenberg, oft in Selbstgespräche versunken, über dem Material gebrütet. Er hatte es kategorisiert, korreliert und katalogisiert. Er hatte es interpretiert, analysiert und dann redigiert. Er hatte versucht, einen Sinn zu erkennen, wo nur er die Fähigkeit hatte, Zusammenhänge festzustellen und Kausalitäten zu identifizieren. Ein aufmerksamer Beobachter hätte gemerkt, dass die Konzentration irgendwann so tief geworden war, dass selbst die Selbstgespräche versiegt waren. Doch es war kaum jemand da, um diese Beobachtung zu machen: Die eine Hälfte seines Teams war mit anderen Aufgaben beschäftigt – die Flotte hatte die alte Idee von DeBurenbergs Tachyonenkommunikator wieder ausgegraben und plötzlich Budgetmittel über ihm ausgeschüttet, die vorher nirgends zu bekommen gewesen waren. DeBurenberg beschäftigte sich damit nicht weiter, denn er hatte die Pläne schon vor Jahren ausgearbeitet und für die Details hatte er seine Leute. Der anderen Hälfte seines Teams hatte er immer wieder Brocken seiner Daten hingeworfen und mit präzisen Aufgaben versehen. Ihnen fehlte das große Bild, aber sie befolgten seine Anweisungen treulich, was ihnen in seinen Augen zumindest ansatzweise eine Existenzberechtigung gab.
Bisweilen kam Frazier, um ihn zu fragen, was der Stand der Dinge sei. DeBurenbergs einzige Antwort war: »Fliege ich nach Lydos?« Frazier wusste es noch nicht. Dann hatte DeBurenberg geschwiegen. Der Verbindungsoffizier war offenbar nicht nützlich, also war er nicht wichtig. Konversation wollte der Wissenschaftler nicht betreiben, und wenn er ein Ergebnis hatte, würde er es bekannt geben. Es war ihm bewusst, dass Frazier seine Selbstgespräche abhörte, und das war auch ein Grund, warum er sie eingestellt hatte. Ein aufmerksamer Zuhörer mochte dabei herausfinden, dass DeBurenberg verwirrt war.
Das war ein Zustand, den das Genie nicht sehr schätzte.
Und obgleich er sich wenig darum kümmerte, was andere von ihm dachten, wusste er, dass er nur nach Lydos würde reisen können, wenn er sich für jene, die Macht hatten, als nützlich erweisen würde. Das Konzept der Nützlichkeit war ihm vertraut. Und so wollte er jeden Eindruck vermeiden, dass er nicht wusste, was er tat.
Da hatte er zu schweigen begonnen.
Gestern hatte er halb bewusst mitbekommen, wie sich einer seiner Mitarbeiter bei ihm erkundigt hatte, ob er etwas benötige. DeBurenberg hatte wortlos auf die Kaffeetasse gezeigt und aus irgendeinem Grunde hatte der Mitarbeiter verwirrt dreingeblickt. DeBurenberg war egal, wie der Mann die Frage gemeint hatte. Er hatte seinen Kaffee bekommen und damit war ein unmittelbares Bedürfnis befriedigt worden.
Was er wirklich benötigte, war eine Idee. Da keine der Kreaturen um ihn herum die Fähigkeit besaß, eine solche zu entwickeln, war er, wie immer, auf sich selbst zurückgeworfen. Nein, das war nicht ganz richtig: Natürlich hatten die Existenzen in seinem Labor bisweilen etwas, was sie Ideen nannten. DeBurenberg bezeichnete diese aber als »Einfälle«, da er sie nicht mit einem Wort adeln wollte, das er dann doch lieber seinen eigenen Entwicklungen zuordnete. »Einfälle« waren im Regelfalle von sehr niedrigem Niveau, oft Wiederholungen alter Ideen, die weitaus Begnadetere vor ihnen gehabt hatten. DeBurenberg kritisierte sie nicht dafür, denn er konnte ja auch keinem Ameisenstaat vorwerfen, immer die gleiche Art von Bau zu errichten. Also, keine Ideen, aber, soweit er die Auswertungen der ihnen hingeworfenen Datenbrocken betrachtete, auch nicht einmal Einfälle.
DeBurenberg war fast soweit, selbst um einen Einfall für sich zu bitten. Er gab es ungern zu, aber er war mit seinem Latein am Ende. Er hörte mit dem Ein- und Ausschalten des Computers auf, griff zur Tasse mit dem längst kalt gewordenen Kaffee und führte sie an seine Lippen.
Dann hielt er inne, ließ die Tasse einige Millimeter vor seinem leicht geöffneten Mund verharren. Seine Augen fixierten einige Zeichenkolonnen, die er vor sich auf dem Tisch liegen hatte. Er ignorierte die Blicke, die sich seine Mitarbeiter zuwarfen, aufmerksam geworden durch das plötzliche Ende des Stakkatos aus dem
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