Tentakel-Trilogie 2: Tentakeltraum
malträtierten Computerschirm.
Einer der wenigen Menschen, die er je in seinem Leben aus eigenem Antrieb ernst genommen hatte, war ein Mathematikprofessor an der Universität gewesen, an der er eines seiner zahlreichen Diplome erworben hatte.
Der ältere Mann, kurz vor der Pensionierung, hatte keinerlei Anstalten gemacht, ein menschliches Verhältnis mit seinem Studenten aufzubauen, was ihm umso leichter gefallen war, weil er auch sonst keine Beziehungen hatte. DeBurenberg hatte seine Kommilitonen gehört, wie sie den Lehrer ein »Ekel« genannt hatten, wie auch immer sie dazu gekommen waren.
Das Wichtigste war: Der Professor war einer der Wenigen gewesen, die dem aufstrebenden Genie richtige Aufgaben gegeben hatte – Aufgaben, an denen er wachsen konnte, und nicht nur welche, an denen er sich wiederholte.
Es gab nichts Besseres, um DeBurenbergs Aufmerksamkeit zu erreichen und zu erhalten.
Ein Satz dieses Mannes, der ihm im Gedächtnis geblieben war, lautete: Wenn Du bei einer Aufgabe nicht weiter kommst, frage Dich erst einmal, ob das Fundament, auf dem Du stehst, wirklich sicher ist.
DeBurenberg ließ die Tasse sinken. Nahm er seinen bisherigen Interpretationsversuchen das Fundament, blieb Raum für Spekulation. Der Wissenschaftler hatte nichts dagegen, er war darin ganz gut, vor allem, da ihm dann immer wieder Informationsfetzen einfielen, die er einzelnen Annahmen zuordnen und damit ihre Wahrscheinlichkeit erhöhen oder verringern konnte.
In diesem Falle war das ein Prozess, der nicht allzu lange dauerte, denn die Anzahl der Alternativen war offensichtlich begrenzt.
Es dauerte keine fünf Minuten, dann hatte der Wissenschaftler eine Entscheidung getroffen, die ihm nicht leicht fiel. Er stand auf, zog seinen Laborkittel gerade – den er nicht trug, weil er befürchtete, sich jemals mit irgendwas zu verdrecken, sondern eher, weil er dachte, man würde das von ihm erwarten und er könne damit überzeugender als Wissenschaftler auftreten, um lästige Diskussionen zu vermeiden – und ging in das Büro des Verbindungsoffiziers.
Frazier sah hoch, als DeBurenberg das Zimmer betrat. Er wirkte überrascht, legte die Papiere, die er gerade studiert hatte, sofort zu Seite und fragte: »Was kann ich für Sie tun, Doktor?«
»Sie können mir zuhören.«
»Ich höre.«
»Wir sind einem großen Irrtum aufgesessen.«
Obgleich DeBurenberg dies mit größtmöglicher Gelassenheit sagte, wirkte Frazier alarmiert.
Er war vor allem deswegen erregt, weil das Genie zu allem möglichen neigte, jedoch nie zu Selbstkritik. Die Tatsache, dass er diese Schwelle überschritten hatte, sprach ganz offensichtlich für sich.
»Setzen Sie sich, Doktor!«
DeBurenberg ignorierte die Einladung. Er hatte lange genug gesessen.
»Worin besteht dieser Irrtum?«, fragte Frazier nun.
»Wir haben gedacht, dass die Aliens über eine torunabhängige Methode des Überlichtantriebes verfügen und damit eine jederzeit in der ganzen Sphäre auftauchende Gefahr darstellen.«
»Das ist ein Irrtum? Sie sind in der Tat in vielen Systemen parallel und offenbar synchronisiert angekommen, es war ein sorgfältig koordinierter, breitflächiger Angriff.«
DeBurenberg nickte.
»Das ist korrekt.«
»Aber?«
»Aber es ist ein Angriff, der vor Hunderten von Jahren koordiniert wurde.«
Frazier ließ diese Aussage für einen Moment in sich wirken. Er war sich offenbar nicht sicher, ob er den Wissenschaftler verstanden hatte.
»Erläutern Sie das!«, bat er ihn schließlich.
»Die Flotten der Tentakel sind vor Hunderten von Jahren in ihren Heimatsystemen aufgebrochen und haben die Sphäre nach einem langen Dilatationsflug mit Unterlichtgeschwindigkeit erreicht.«
»Sie spinnen!«, stieß Frazier aus.
DeBurenberg nahm das nicht persönlich, er wusste ja, von wem es kam.
»Der Angriff war ohne Zweifel koordiniert – die Sphäre bläst seit Jahrhunderten elektronische Signale ins Weltall und wird daher, je nach Entfernung des nächsten Tentakelsystems, einiges über die Standorte unserer Kolonien verraten haben. Und so haben die Feinde ihre Invasionsflotten vorbereitet und in jedes der kernwärts gerichteten Systeme – denn aus der Richtung kommen sie – eine geschickt. Einige flogen etwas früher ab, andere warteten noch ein paar Jahre, damit exakt der Eindruck entsteht, dem wir aufgesessen sind: Dass sie einen koordinierten, auf der Basis eines uns unbekannten SAL-Antriebes durchgeführten Angriff fliegen – was ja nicht zuletzt unsere taktische
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