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Tentakelblut (German Edition)

Tentakelblut (German Edition)

Titel: Tentakelblut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk van den Boom
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konservieren und über Biogeneratoren wieder zum Leben erwecken – vorausgesetzt, die notwendigen Rohstoffe wurden bereitgestellt. Die Laderäume enthielten alles, was man für einen Neuanfang auf einer fremden Welt benötigte, von Maschinen, Elementen für Fertighäuser bis zu konzentrierten Nahrungsmitteln für die erste Zeit. Ein gigantisches, fliegendes Warenhaus mit einer tiefgefrorenen Besatzung. Auch die 21 Schiffsführer würden, sobald das Raumschiff die Nähe des heimischen Sonnensystems verlassen hatte, in den Kälteschlaf gehen. Sie würden sich mit stetig steigender Geschwindigkeit fortbewegen. Schneller als das Licht konnte der Gigant jedoch nicht fliegen. Er würde seine tiefgefrorene Ladung über Jahrhunderte hinweg ins Weltall tragen, gesteuert von drei zentralen KI-Gehirnen, die alle 50 Jahre zwei der Besatzungsmitglieder für eine kurze Periode wecken und ihnen Bericht erstatten würden. Irgendwann, hoffentlich weit weg vom Expansionskurs der Tentakel, würde das Schiff auf eine neue, bewohnbare Welt stoßen. Die dafür notwendigen Parameter waren sorgfältig ausgewählt worden. Auf diese Art und Weise würde die Menschheit überleben, selbst dann, wenn die Erde unter dem Ansturm der Tentakel fiel, was mit jedem Tag wahrscheinlicher wurde. Sie hatten dann alles bei sich für einen Neuanfang. Sie konnten sich sogar entschließen, ganz auf eine Neubesiedlung einer Welt zu verzichten, und stattdessen etwa ein Asteroidenhabitat errichten. Auch danach würden die drei KIs suchen. Es ging dabei nicht nur um Bequemlichkeit, sondern auch darum, sich vor den Tentakeln zu verbergen. Man würde sie niemals besiegen, das war die Philosophie der Erbauer der Arche. Also vergrub man sich, so gut es ging, und hoffte, dass der Tentakelsturm an einem vorbeizog.
    Roby freute sich nicht darauf, auf ungewisse Zeit in einem Kühltank einem ebenso ungewissen Schicksal entgegenzudämmern. Aber er zog dieses Schicksal dem Verbleib auf der Erde vor, wo ihn nur unterschiedliche Arten des Todes ereilen würden – schnell und schmerzlos oder lang und qualvoll oder irgendwo dazwischen.
    Dann schon lieber in ein tiefes Vergessen versinken, und das mit der Option, in einer hoffnungsvolleren Zukunft erwachen zu dürfen. Roby war jedenfalls bereit, dieses Risiko einzugehen. Und wenn er sich durch seinen Einsatz das Ticket verdiente, dann wollte er diese Investition tätigen, egal ob er sich damit in Gefahr brachte oder nicht. Er hatte jetzt immerhin ein Ziel. Auf der Erde würde bald nur noch die Verzweiflung regieren.
    Der Flug wurde rasch langweilig. Er nahm eine kurze Mahlzeit ein, ohne seine Wachstation zu verlassen. Auf den Ortungsschirmen tat sich nichts. Ihr kleiner Konvoi wurde ignoriert, und dagegen hatte niemand etwas. Als sie nach drei Stunden vor dem gedrungenen Zylinder des Fluchtschiffes angekommen waren, leuchteten nicht einmal Positionslichter. Ein schwacher, kaum messbarer Richtstrahl dirigierte die drei Schiffe in den Haupthangar, dessen Tore kalt und gähnend offen standen. Nur wenn Schiffe ankamen, wurde die Hydraulik aktiviert und der Hangar geschlossen. Ansonsten blieb alles leer, untätig, energielos.
    Nachdem die Hanna aufgesetzt und die Hangartore sich geschlossen hatten, wurde eine schwache Notbeleuchtung sichtbar und zwei Gestalten in Druckanzügen machten sich winkend bemerkbar. Der Hangar würde ohne Druck bleiben, einige Roboter erledigten die Verladearbeiten, und die Besatzungen der Schiffe – vom Shuttlepiloten abgesehen, der die Arbeiten überwachen würde – blieben an Bord. Es gab auch keine große Plauderei. Tatsächlich wurden die drei Schiffe für die Dauer ihres Aufenthaltes weitgehend stillgelegt. Roby bekam keine Gelegenheit, den Giganten zu besichtigen. Sie hatten nichts anderes zu tun, als geduldig das Ende des Ladevorgangs abzuwarten und dann den Rückweg anzutreten. Ein Blick auf die Uhr und das Lauschen der Meldungen des Piloten zeigten, dass ihr geplanter Aufenthalt von rund einer Stunde nicht wesentlich überzogen werden würde. Ab jetzt würde er diese Reise jeden Tag absolvieren, nur dann mit lebendiger Fracht, dem Shuttle voller Passagiere, der pro Flug gut 500 Kolonisten transportieren würde. 16 Flüge, mit jedem ein steigendes Risiko der Entdeckung. Roby würde eine Strichliste führen, wie wahrscheinlich alle an Bord. Er hatte eine nervenzermürbende Zeit vor sich, gut zwei Monate, an deren Ende ihr Abflug stehen sollte, ihr gemeinsamer Exodus, eine Reise ohne

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