Tentakelblut (German Edition)
entgegen, trug die Hauptlast. Roby nahm die Explosion von Schiffen nur am Rande wahr, sortierte sie aus, identifizierte Trümmer als Trümmer, nicht als Waffensysteme, und doch musste er miterleben, wie Smith zweimal gezwungen wurde, den Kurs zu wechseln, um nicht in ein davontrudelndes Wrack zu fliegen. Niemandem wurde etwas geschenkt. Einzig die Tatsache, dass sie wegrannten, so schnell sie konnten, war ihr großer Vorteil.
Rennen, feuern, rennen, feuern. Ein Tanz, der an den Nerven zerrte, der an seinem Bewusstsein und seiner Konzentration fraß. Robys Augen brannten. Er funktionierte wie ein Automat. Dann ein Rütteln, das davon zeugte, dass sie in die Erdatmosphäre eingedrungen waren.
Die Tentakel waren weiter, als sie gedacht hatten. Landekreuzer näherten sich, begleitet von Atmosphärenjägern, ausgeschleust in den obersten Schichten der Lufthülle. Roby fluchte nicht einmal. Er sah Blips, Symbole, wandernde, pulsierende Icons, er registrierte, kalkulierte und legte Flugbahnen fest. Er tötete. Es war ein Tanz, nichts weiter als ein tödlicher Tanz.
Kein Nachlassen. Keine Ruhe. Raketen folgten, Tentakel überwanden die Abwehr der Flotte und begannen mit ihrer eigenen Landung, aber mit anderem Ziel. Sie entfernten sich von den drei Schiffen und sie hatten genug mit dem Abwehrfeuer der Bodenstationen zu tun, den Angriffen der ebenfalls aufgestiegenen irdischen Atmosphärenjäger, die sie wie Insekten zu umschwärmen begannen und deren viele kleine Stiche zu manchem Absturz führten – und die wiederum von den Fliegenklatschen der Tentakel, Abwehrgeschützen, einer nach dem anderen vom Himmel gefegt wurden, ein zähes, unerbittliches Ringen, in dem beide Seiten immer wieder den höchsten Preis zu zahlen hatten.
»Landeanflug«, flüsterte Smiths Stimme. »Wir haben es gleich.«
Roby fühlte, wie seine Arme unkontrolliert zu zittern begannen, als er versuchte, sich zu entspannen. Die Schirme leerten sich. Kein Feind in Sicht. Keine Notwendigkeit mehr für die absolute Aufmerksamkeit und Konzentration der …
Roby zwinkerte. Das hatte alles keine Stunde gedauert. Smith hatte ein brutales Tempo vorgelegt. Und Roby war es viel, viel länger vorgekommen. Er fühlte sich, als hätte er 24 Stunden am Stück gearbeitet, wie ausgewrungen, erschöpft und leer. Er trank etwas, schluckte gierig und spürte, wie sich Hunger und Müdigkeit einen Kampf um die Vorherrschaft in seinem Körper lieferten. Er unterdrückte ein Keuchen, das nach draußen wollte, Ausdruck seiner Schwäche. Er schwitzte plötzlich. Er trank wieder, merkte, dass der Flüssigkeitsvorrat seines Anzugs am Ende war. Er leckte sich über die Lippen.
»Landung in zwanzig Minuten«, meldete Smith. Seine Stimme klang nicht so, als sei er sonderlich erschöpft, obgleich er mindestens genauso beansprucht worden war wie Roby. Durch den Schleier der Erschöpfung verspürte Roby Stolz, zu dieser Mannschaft zu gehören. Es mochte sein, dass ihre Chancen gering waren, aber es war verdammt noch mal besser, als irgendwo zu hocken und sich von den Ereignissen überrumpeln zu lassen.
Die zwanzig Minuten nahm er kaum bewusst wahr. Als die Korvette dann schließlich aufsetzte und sekundenlang das Geräusch von knackendem Metall zu hören war, das sich entspannte, sprach Smith erneut: »Ihr wart alle hervorragend. Ich sage jetzt nicht mehr. Alle haben perfekt gearbeitet. Roby, deine Feuertaufe war ein Triumph. Du hast meinen höchsten Respekt. Doch es war erst der Anfang, Leute. Das ist der Zeitplan, hört jetzt gut zu. Die Mechaniker machen einen schnellen Check der Schiffe. Der Shuttle wird beladen. Alle Schiffe bekommen Reaktionsmasse. Soweit die Depots noch was haben, werden die Munitionsvorräte aufgefrischt. Wir bekommen ein paar andernorts höchst illegale Drogenpakete überreicht. Kalkulierte Gesamtzeit: drei Stunden bis zum Start. Ich empfehle … nein, ich befehle euch: Begebt euch sofort in die Kojen und schlaft mindestens zwei Stunden, falls ihr Schlaf finden solltet. Wenn nicht, nehmt eine leichte Pille oder meditiert ein wenig. Aber ihr werdet euch Ruhe gönnen. Die Arbeit machen jetzt andere. Für uns bleibt noch mehr als genug übrig.«
Roby widersprach nicht. Niemand sagte etwas anderes als ein paar gemurmelte Worte der Bestätigung. Er löste seine Gurte, stand auf und ging langsam in den hinteren Teil der Korvette. Das Schiff war klein, aber durchaus für etwas längere Flüge ausgerüstet, und so gab es einen kleinen Raum mit drei
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