Tentakelblut (German Edition)
»Das weiß ich auch. Nein. Ich meine natürlich Ihr Schiff.«
Roby deutete nun mit dem Daumen hinter sich und sah den Mann fragend an.
»Aber ja. Nun seien Sie nicht so schwer von Begriff. Lassen Sie mich an Bord.«
»Warum?«
Piotrowski beugte sich leicht nach vorne. Roby konnte einen feinen Schweißfilm auf dessen Stirn erkennen. Und der Geruch, den der Mann absonderte, stieg in seine Nase.
»Vergessen Sie nicht, wer ich bin«, erklärte der Agent mit drohendem Unterton. »Sie stehen immer noch unter Beobachtung des Militärgeheimdienstes!«
Roby zuckte mit den Schultern, strahlte immer noch Gelassenheit aus. »Tun wir das nicht alle?«
Piotrowski verzog das Gesicht. »Nur weil Sie sich erfolgreich bei diesen Sektierern eingeschleimt haben, heißt das noch lange nicht, dass Sie bei uns vom Haken sind. All dies hier geschieht, weil wir es zulassen. Und Sie sind Teil unserer Beobachtermission, nicht Teil dieser Fluchtaktion!«
Roby nickte. Piotrowski hatte formal nicht unrecht. Obgleich die anderen Mitglieder seines Teams nur gelegentlich hier auftauchten, um nach dem Rechten zu sehen, war er immer noch Teil der Tentakelwacht und keinesfalls ein »Sektierer«. Andererseits …
»Ich bin nicht der Kommandant dieses Schiffes«, erklärte er dem Agenten. »Ich darf Sie gar nicht einfach so an Bord lassen.«
»Ach was!«, sagte Piotrowski mit einer wegwerfenden Geste. »Details! Ich habe höchste Autorisierung vonseiten der Regierung! Niemand darf mich abweisen! Sonst wäre ich ja wohl kaum durch die Absperrung gekommen.«
Ein interessantes Argument, wie Roby befand. Er blickte hoch und suchte nach den Rahels des Sicherheitsteams. Er erspähte sie, wie sie die disziplinierte Reihe der Flüchtlinge dirigierten. Und er fand sich selbst unter Beobachtung einiger Augenpaare, die interessiert musterten, was hier passierte. Roby runzelte die Stirn.
Er hatte die Ahnung, dass der Agent nicht durchgelassen worden war, weil er über eine so wundervolle Autorisierung verfügte, sondern weil …
Er wandte sich wieder Piotrowski zu, der ungeduldig von einem Bein auf das andere stakste und aussah, als würde er sich gleich mit den Händen durch die Schiffshülle der Hanna graben wollen.
Roby wusste nicht genau, was hier los war. Also beschloss er, weiterhin den sicheren Weg zu gehen.
»Es tut mir leid, aber ich führe hier nicht das Kommando. Ich kann Sie nicht so einfach an Bord lassen.«
»Das ist nicht akzeptabel!«
»Der Capitaine kommt gleich vom Briefing. Er kann eine Entscheidung treffen.«
»Das ist nicht, nicht, nicht akzeptabel!«, erklärte der Agent trotzig. »Ich muss … Dinge überprüfen.«
Roby schaute sich den Mann genau an, sah, wie seine Lippen bebten und wie sein unsteter Blick über die Hanna wanderte, um immer wieder an der Zugangsschleuse hängen zu bleiben.
»Überprüfen?«
»Ja … auf der Arche … die Regierung erwartet einen Bericht.«
Roby nickte langsam. »Auf der Arche.«
»Sie befindet sich auf dem Territorium der Sphäre! Ich sagte ja ber…«
»Wir halten uns nur sehr kurz dort auf, bis die Flüchtlinge aus dem Shuttle gekommen sind. Da ist nicht viel Zeit für eine … Überprüfung.«
»Das … dann muss ich eben länger bleiben … ich muss gründlich sein!«
»Ja. Gründlich. Ich verstehe.«
Roby verstand in der Tat. Piotrowski wollte nichts überprüfen. Ihm ging der Arsch auf Grundeis und er wollte seine Privilegien missbrauchen, um sich einen Platz auf der Arche zu verschaffen. Damit stand er natürlich voll in der bewährten Tradition seiner Auftraggeber, sich immer die schönsten Scheiben vom Speck abzuschneiden. Roby konnte ihm dafür nicht einmal ernsthaft einen Vorwurf machen.
Der Agent hatte Angst und er wollte hier weg. Auch das war etwas, wodurch er sich von 99 Prozent der Menschheit nicht unterschied. Nur die Art, wie er dieser Angst Ausdruck gab, schmeckte Roby nicht.
»Hören Sie …«, begann er.
»Nein, Sie hören jetzt!«, zischte Piotrowski und kam noch einen Schritt näher. »Ich darf sofort an Bord dieses Schiffes und werde mit Ihnen zur Arche reisen, oder ich werde dafür sorgen, dass Sie sofort von hier abgezogen und an die bröckeligste Front auf dieser Welt versetzt werden, wo Sie dann als Sporenfutter enden werden. Habe ich mich deutlich ausgedrückt?«
Roby atmete flach, um den stechenden Geruch aus Piotrowskis Kehle nicht riechen zu müssen. Der Mann hatte sich gestern Nacht für seine kleine Aktion wohl Mut angetrunken und war bei der
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