Tentakelblut (German Edition)
und sich daher nur dadurch vom Boden abhob, weil darin etwas lag, das sie sofort als ein Fertiggericht aus irdischen Militärbeständen identifizierte, in einer silbernen Plastikschale, die sich beim Öffnen selbst erhitzen würde. Dazu gab es einen Becher, der zumindest dem Anschein nach Wasser enthielt. Mirinda überlegte für einen Moment, ob sie die Speisen zu sich nehmen sollte. Ihr Metabolismus konnte, anders als der eines gewöhnlichen Menschen, einige Wochen ohne Nahrungszufuhr funktionieren, und das auch ohne nennenswerte Einschränkungen. Andererseits war ihr bewusst, dass durch das Experiment, dem sie ausgesetzt worden war, ihr Energieverlust beträchtlich gewesen sein musste. Sollte Actinotroch ihre Nahrung vergiftet haben? Sie hielt es für unwahrscheinlich. Er hatte eine so meisterhafte Kontrolle über die inneren Funktionen ihres Körpers erlangt, er benötigte ein solch wenig subtiles Mittel nicht, um seine Absichten durchzusetzen.
Sie aß.
Und sie überlegte, was für Absichten der Tentakelwissenschaftler überhaupt verfolgte.
Es war natürlich möglich, dass er tatsächlich ernsthaft nach Wegen forschte, gewisse Probleme der Tentakel zu beseitigen, vor allem die ihnen einprogrammierte Hemmschwelle, das Allianzsystem anzugreifen. Das klang plausibel und logisch. Aber war es dazu notwendig, ihre emotionalen Reaktionen auf sexuelle Reize auszutesten, bis sie verrückt wurde?
Mirinda war sich ziemlich sicher, dass Actinotroch ein schönes Beispiel dafür war, wie nahe Genie und Wahnsinn beieinanderlagen. Was er mit ihr anstellte, musste irgendein perverses Verlangen befriedigen, und möglicherweise war seine Stellung innerhalb der Tentakelgesellschaft nur der eines Geduldeten, dessen abwegiges Verhalten man so lange akzeptierte, wie man auf anderen Gebieten Ergebnisse erwarten konnte. Er musste unter dem Schutz eines mächtigen Tentakelfürsten stehen, der dafür sorgte, dass er ungestört sowohl seinen Experimenten wie auch seinen … Hobbys nachgehen konnte.
Mirinda kam zu dem Schluss, dass sie zu den Hobbys gehörte, wenngleich nicht auszuschließen war, dass die eine oder andere Information dem Verrückten auch bei dem Vorhaben nützte, das er offiziell als Beweggrund angegeben hatte.
Letztlich aber führten diese Gedankenspiele zu nichts. Sie war in einer aussichtslosen Situation, der sie alleine und ohne fremde Hilfe nicht entfliehen konnte. Und es gab hier niemanden, den sie um diese Hilfe bitten konnte. Ihre Isolation war perfekt.
Mirinda schob das Tablett von sich und unterdrückte ein Seufzen. All ihre Reaktionen wurden mit Sicherheit aufgezeichnet. Sie hatte nicht die Absicht, Actinotroch den Gefallen zu tun, sich an ihrem Leid auch noch weiden zu können. Ein schaler und unwichtiger Sieg, aber er war alles, was ihr blieb.
Sie schloss die Augen, saß im Schneidersitz neben der Liege auf dem Boden und hoffte, dass Sobhex genug Druck machte, damit die Erdbehörden sie finden und befreien würden. War sie dafür wichtig genug? Sie hatte nicht lange genug mit dem Botschafter zusammengearbeitet, um herauszufinden, inwieweit er einem Avatar gegenüber anders eingestellt war als etwa einer natürlich geborenen Begleiterin gegenüber. Sie konnte sich nicht daran erinnern, dass der Diplomat Anzeichen von Vorurteilen oder einer abschätzigen Bewertung ihrer Existenz gezeigt hätte. Aber andererseits war er Diplomat und sicher darin geschult, nur jene Gefühle und Reaktionen zu zeigen, die er zu zeigen bereit war.
Es blieb ihr nichts anderes übrig, als zu warten und auf das Beste zu hoffen. Es kam ihr der Gedanke, dass, würde Slap noch leben, er sicher Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt hätte, um ihre Rettung zu erreichen. Die Mischung aus Melancholie und Bitterkeit, die sie daraufhin erfüllte, gefiel ihr gar nicht.
Aber gut.
Warum nicht einfach mal ein wenig traurig sein?
Wer außer ihr trauerte sonst um den toten Mann? Wer erinnerte sich überhaupt an ihn?
15
Die Ratshalle war ein beeindruckendes Gebäude auf einer der beiden bewohnbaren Welten des Allianzsystems, die den Namen Summa trug. Als Slap von Mirinda in ihrem Raumboot dorthin gebracht wurde, hatte der Terraner ausreichend Gelegenheit, sich von der Schönheit dieses Planeten zu überzeugen. In vielerlei Hinsicht erinnerte er ihn an die Erde, und nach der Landung verstärkte sich dieser Eindruck sogar noch. Er sog die frische Luft in sich hinein, als sie auf dem Raumhafen ins Freie traten, genoss die
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