Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tentakelblut (German Edition)

Tentakelblut (German Edition)

Titel: Tentakelblut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk van den Boom
Vom Netzwerk:
würzige Luft und ließ sich für einen Moment die Sonne ins Gesicht scheinen. Sehr intensiv, sehr eindringlich, fast schon von überwältigender Klarheit, die den Touch des Unwirklichen hatte. Erst jetzt merkte er, wie sehr er das vermisst hatte: festen Boden unter den Füßen, nicht immer nur klimatisierte und gefilterte Luft, sondern eine leichte Brise, die durch seine Kleidung fuhr. Auch Mirinda schien diese Umgebung sehr zu genießen, reckte sich der Sonne entgegen und holte tief Luft, ehe sie Slap lächelnd ansah.
    »Egal wie das hier ausgeht, wir wollen mal sehen, ob wir nicht in jedem Falle ein paar Tage am Strand rausschlagen können, oder was meinst du?«
    »Exakt mein Gedanke.«
    Bereits vom Raumhafen aus war das mächtige Bauwerk der Ratshalle deutlich auszumachen. Es war eine Halbkugel, die sich insgesamt gut 100 Meter in die Höhe schob, aus einem fugenlos verarbeiteten Material, nur unterbrochen von ausladenden Reihen großer Panoramafenster, die in der Sonne blitzten und Slap zwinkern ließen. Darin, so hatte ihn Mirinda informiert, tagten nicht nur die rund 600 Ratsmitglieder, sondern arbeitete auch ihr gesamter Stab und das Oberkommando der Allianz-Streitkräfte, deren aktiver Teil fast ausschließlich aus der Flotte von Torkapseln bestand, die damit beschäftigt waren, zumindest einige der von den Tentakeln angegriffenen Völkerschaften zu unterstützen oder in verschwindend geringem Ausmaß zu evakuieren.
    Sie nahmen eine Monorail zur Ratshalle und wurden ohne große Formalitäten eingelassen. Zum einen waren sie angekündigt, zum anderen gab es zwar allerlei Konflikte innerhalb der Allianz – einen würden sie jetzt öffentlich austragen –, aber gemeinhin wurden diese friedlich ausgetragen. Das Allianzsystem war trotz seiner Vielfalt ein sehr sicherer Ort, denn jede Heterogenität wurde durch die allumfassende Bedrohung der Tentakel überdeckt, die jedem in ständiger Erinnerung war. Slap fragte sich, was aus der Allianz wohl werden würde, wenn die Tentakel einst besiegt waren. Würde die Prognose des Sängers sich als richtig erweisen, der ein Auseinanderbrechen für wahrscheinlich hielt? Viele der Ratsmitglieder stellten sich wahrscheinlich dieselbe Frage und deswegen versuchten sie, Lobans Mission Steine in den Weg zu legen, um diesen Zeitpunkt möglichst weit in die Zukunft zu verschieben. Sie alle ahnten wohl auch, dass es ohne Tentakel schnell keine Allianz mehr geben würde. Viele der Ratsmitglieder würden sich dann mit ihren Artgenossen neue Siedlungsräume suchen müssen, neue Welten aufbauen, und das war nicht nur irre anstrengend, es bedeutete auch, dass einstmals unangefochtene Führungspositionen infrage gestellt werden mochten.
    Slap presste die Lippen aufeinander. Es war überall das Gleiche. Wenn man es sich erst mal ordentlich im Elend eingerichtet hatte und auf dem Scheißhaufen der größte Mistkäfer geworden war, fiel einem der furchtbare Gestank gar nicht mehr so auf. Man begann ihn sogar zu schätzen.
    Und deswegen musste Slap hierher kommen und dafür sorgen, dass die Riechorgane neu justiert würden. Alle mussten wieder erkennen, dass sie auf einem Haufen Scheiße hockten und dass die wohlige Wärme, die sie empfanden, die von Verwesung, Hilflosigkeit und Niederlage war.
    Das Innere des Gebäudes war angenehm klimatisiert. Mirinda hatte Slap erklärt, dass sie die Empfangshalle für Sauerstoffatmer betreten würden. Es gebe zwei weitere: eine für die sieben methanatmenden Spezies, die der Allianz angehörten, sowie eine weitere für Zivilisationen, die im Wasser lebten. Dazu zählten neben den Artgenossen von Fischer-im-Trüben noch fünf weitere Völker. Alle anderen, noch etwas exotischere Umgebungen benötigende Spezies mussten sich entweder mit individuellen Schutzmaßnahmen begnügen oder der Ratssitzung nur virtuell beiwohnen.
    Slap betrat die Ratshalle, als diese bereits gut gefüllt war. Es schien, als wolle niemand das interessante Ereignis verpassen. An einer Wand des ovalen Raumes gab es eine große Scheibe, die direkt in das »Aquarium« der Wasserbewohner zeigte, und als Slap hineinschaute, meinte er, die massive Form von Fischer-im-Trüben zu erkennen – oder eines seiner Artgenossen, denn diese untereinander zu unterscheiden, überstieg Slaps Möglichkeiten. Auch sonst war das Sammelsurium der Ratsmitglieder ein Panoptikum biologischer Vielfalt, und hätte Slap sich nicht konzentrieren und auf seine anstehende Aufgabe vorbereiten müssen, er hätte

Weitere Kostenlose Bücher