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Tentakelblut (German Edition)

Tentakelblut (German Edition)

Titel: Tentakelblut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk van den Boom
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können, sie seinem Willen unterwerfen, wie er es für notwendig erachtet. Was für eine absurde Vorstellung! Ein Menschling, zudem ein minderwertiges Exemplar seiner Rasse, will solche Fähigkeiten haben, ohne langes Training, einfach so, und etwas tun können, wonach Loban und seine Kollegen seit vielen Jahrhunderten forschen, ohne durchgreifende Fortschritte gemacht zu haben? Können wir dieser Behauptung unser Leben anvertrauen? Können wir riskieren, dass ein Fehler begangen wird, dass ein verhängnisvolles Missgeschick passiert und dass die Tentakel Maßnahmen ergreifen werden, die unseren Zugang zu ihrem Teil des Virtuum dauerhaft beschränken oder gar unmöglich machen? Eröffnen wir damit ein neues Schlachtfeld, auf dem wir wahrscheinlich verlieren werden, weil dieser angebliche Superkrieger, dieser Übermensch des Virtuellen, in Wirklichkeit nicht mehr ist als ein aufgeblasener Krimineller, der es irgendwie geschafft hat, perfide und geschickt, sowohl einen unserer besten Wissenschaftler wie auch einen offenbar emotional instabilen und triebhaft fehlgeleiteten Kontaktavatar in seinen unheilvollen Bann zu ziehen?«
    Wow! , dachte Slap. Ich bin ja richtig böse.
    Fast fühlte er sich geschmeichelt. Hätte er nicht gewusst, dass er Tansh eigentlich völlig egal war und der Mistkäfer sich nur deswegen so aufregte, weil er verhindern wollte, dass er und die Seinen ihre lauschigen Plätzchen an der Spitze der Allianzhierarchie jemals verloren, indem sie das allgemeine Elend der Auseinandersetzung mit den Tentakeln künstlich hinauszögerten, dann wäre er sehr beeindruckt gewesen.
    Aber Slap wusste Bescheid.
    Er wusste nicht, wie viele der Ratsmitglieder das Spielchen auch durchschauten. Die Geräusche, die nach Tanshs letzten Sätzen entstanden, so eine Art Klatschen, das Slap als Beifall interpretierte, wiesen darauf hin, dass der Mistkäfer einen Nerv getroffen hatte. Es war schwer zu deuten, aber Slap hatte das Gefühl, dass die Mehrheit des Rates, entweder aus Überzeugung oder um schlicht schnell zum Ende der Sitzung zu kommen, bereit war, Tansh zuzustimmen und die Sache möglichst geräuschlos zu beerdigen.
    Das war nicht gut.
    Tansh hob seine Ärmchen und wedelte mit ihnen um Aufmerksamkeit heischend in der Luft herum.
    »Ich beantrage daher hiermit, dass der Rat entscheiden möge, die geplanten Virtuumexperimente Lobans mit diesem Aufschneider zu beenden, eine angemessene Untersuchung einzuleiten und den weiteren Verlauf einem Ausschuss des Rates zu überlassen, der alle Maßnahmen ergreift, um uns vor Irrwegen zu schützen.«
    Ein Ausschuss, dachte Slap in den erneut aufbrandenden Beifall hinein, der ganz sicher entweder direkt unter dem Vorsitz des Käfers oder zumindest einer seiner Gefolgsleute stehen würde. Lobans Aktivitäten würden unweigerlich unter einem riesigen Haufen Bürokratie begraben werden.
    Und wenn er die ausgelassene Stimmung in der Halle richtig interpretierte, war man hier von dieser Aussicht durchaus angetan.
    »Ich darf um Ruhe bitten!«, erklang die Stimme des Tagungspräsidenten. »Der Antrag des ehrenwerten Ratsherren Tansh ist registriert. Es wird nun entsprechend der Tagesordnung Möglichkeit zur Gegenrede gewährt. Für die Befürworter des Projektes spricht nun zuerst Ratsmitglied Fischer-im-Trüben. Danach wird im Zuge einer Ratsanhörung das inkriminierte Subjekt des Menschlings Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten. Ich bitte erneut um Ruhe! Wir wollen vor dem Mittagessen fertig werden!«
    Der letzte Satz war offensichtlich gut geeignet, um die allgemeine Disziplin wiederherzustellen. Slap war sich nicht sicher, ob das ein gutes Zeichen war. Die allgemeine Aufmerksamkeit richtete sich nun in Richtung Aquarium, wo Fischer-im-Trüben sich mit allerlei Gepaddel vor einer Installation aufgebaut hatte, die wie eine Unterwasservariante der Präsidiumsplattform wirkte. Einige Luftblasen stiegen auf, als der massive Wasseralien begann, seine Worte an den Rat zu richten.
    »Verehrte Feiglinge, Wichtigtuer und Schwachköpfe!«
    Slap riss die Augen auf. Für eine Sekunde herrschte Grabesstille, doch dann brach ein lauter Tumult aus. Ein Gong ertönte, dann wieder, und erst nach einigen Minuten lauten Geschreis auf allen möglichen Frequenzen beruhigte sich der Saal wieder.
    »Das Ratsmitglied wird verwarnt!«, zeterte der Tagungsleiter.
    »Ich bin untröstlich. Das Alter. Es war das falsche Redemanuskript. Eine Verwechslung. Es tut mir leid«, log Fischer-im-Trüben leichthin.

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