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Tentakelblut (German Edition)

Tentakelblut (German Edition)

Titel: Tentakelblut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk van den Boom
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Das Gegrummel in der Halle wurde für einen Moment wieder lauter, doch diesmal wirkte der Gong und man konnte fortfahren.
    Slap grinste.
    »Der edle Tansh hat mich mit seiner Sorge um unser aller Wohl sehr angerührt«, erklärte das Wasserwesen nun. »Leider kann man das in der Umgebung, in der ich lebe, nicht so gut erkennen, aber mir sind die Tränen gekommen. Jetzt sitzen wir seit ewigen Zeiten in diesem System fest und dürfen uns mit ansehen, wie jedes Jahr irgendwo in der Galaxis irgendein Expansionsarm des Tentakelreiches irgendeine Zivilisation ausrottet. Manchmal geschieht das sofort, manchmal dauert das Leid ein paar Hundert Jahre. Mitunter sehen wir uns in der Lage, ein Häuflein Überlebender zu retten, und dann klopfen wir uns ob unseres Heldenmutes kollektiv auf die Schulter – oder was auch immer für ein Körperteil angebracht ist. Währenddessen schauen wir zunehmend ungerührt zu, wie Milliarden anderer Lebewesen sterben oder ihre Existenz als lebende Blumenbeete beschließen. Wir sind ziemlich abgestumpft, verehrte Ratskollegen. Der Schrecken hat für uns jede unmittelbare Bedeutung verloren. Wir verfolgen die Meldungen der Kontaktgruppen und schauen uns die Bilder der untergehenden Zivilisationen an. Wir hören ihr Flehen und sagen nur: ›Tut uns leid. So ist es nun einmal. Wir können nichts daran ändern. Kommt, steckt doch ein paar DNA-Proben in diese Flasche, wir schauen dann mal, was sich machen lässt.‹«
    Die Ratshalle war ruhig, aber nicht still. Einige der Ratsmitglieder flüsterten und gestikulierten.
    Man war diese Art offener Ansprache, ja eindeutiger Anklage, ganz offensichtlich nicht gewohnt.
    »Aber wir können etwas machen«, fuhr Fischer-im-Trüben fort. »Wir könnten einmal etwas wagen. Wir können uns das Schlachtfeld selbst bereiten. Wir haben den Zugang. Wir wissen, wo wir den Feind an seiner empfindlichsten Stelle erwischen können, dem Ort, wo seine Existenz in Wahrhaftigkeit vor all unseren Augen wie vor seinen eigenen liegt. Und wir haben die Technologie entwickelt, um diesen Zugang zu einer effektiven Waffe zu machen. Wir können herausfinden, wie wir die Tentakel alle manipulieren können, ihre Verhaltensweise ändern, sie befrieden – oder sie zum kollektiven Selbstmord treiben. Mir ist das egal. Ich bin alt. Aber weil ich alt bin, erinnere ich mich lebhaft an die Geschichten meiner Familie über die alte Heimat, die für immer für uns verloren scheint. Ich will mich damit nicht abfinden. Ich will hier nicht versauern. Ich fühle mich wie in einem Gefängnis. Habt ihr diesen Eindruck nicht auch, liebe Ratskollegen? Fühlt ihr euch tatsächlich wohl, habt ihr euch dermaßen im Elend eingerichtet, dass euch kein Schmerz und keine Bedrückung mehr erreicht? Dann bedaure ich euch und sage: Wehe der Galaxis! Wehe uns allen! Denn wir haben längst aufgegeben, sind ängstlich und zögerlich geworden und tragen damit immer noch, jeden Tag, ein jedes weiteres Mal Mitschuld am Ende von Zivilisationen. Nicht nur unsere Vorfahren tragen diese Schuld. Wir erneuern sie immer wieder. Es ist ein ewiges Verbrechen, dem wir uns hingeben.«
    Das Gemurmel wurde so laut und so unwillig, dass der Tagungspräsident erneut den Gong aktivieren musste. Fischer-im-Trüben teilte diesem Rat Dinge mit, mit denen sich niemand vor dem Mittagessen auseinandersetzen wollte.
    »Aber es gibt einen Ausweg«, sagte das Wasserwesen nun. »Wir haben eine Chance. Lasst es uns versuchen. Lasst uns Mut beweisen. Und mit dem Menschen hier haben wir jemanden, der bereit ist, seine Existenz für uns aufs Spiel zu setzen. Er will und wird sich für uns einsetzen, obgleich wir am Ende seiner Zivilisation schuldig sind. Wir, durch unser Instrument, haben sein Volk ausgelöscht. Er mag selbst kein Wesen reinen Gewissens und ohne Fehl und Tadel sein. Aber damit, so möchte ich behaupten, passt er ganz hervorragend in unsere Gesellschaft und wäre, wenn ich das sagen darf, auch ein sehr würdiges Mitglied dieses Rates.«
    Nun wurde der Lärm in der Ratshalle wieder lauter, als die Versammelten ihrem Unmut Luft verschafften. Fischer-im-Trüben wartete den Aufruhr gelassen paddelnd ab, der Gong ertönte mehrmals. Ratsherr Tansh, der immer noch auf der Plattform stand und der Gegenrede gelauscht hatte, gestikulierte heftig und wollte wohl etwas sagen, doch das Präsidium zeigte in der Tat seine strenge Neutralität. Tansh hatte gesprochen und egal, was man von den Worten seines Kontrahenten auch halten mochte,

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