Tentakelwacht
Kontrollzentrum. Die Brutkammern, alle 2000, sorgten für eine hohe Wärmeentwicklung, die trotz Isolation die große Halle miterhitzte. Sofort entwickelte sich auf der hohen Stirn des Wissenschaftlers ein dünner Schweißfilm. Suarez war das gewohnt. Mit einer geübten Bewegung holte er ein Tuch aus seiner Hosentasche und begann, sich mit mechanisch wirkenden Bewegungen die Feuchtigkeit von der Haut zu tupfen.
Er wanderte die 500 Kammern mit den am weitesten entwickelten Klonen entlang. Bei einem der ersten blieb er stehen, betrachtete kurz die Kontrollanzeigen – alles im grünen Bereich, wie nicht anders zu erwarten, wo doch jede kleinste Abweichung sofort einen Alarm im Kontrollzentrum auslösen würde – und schaute dann durch die trübe Nährflüssigkeit im ansonsten transparenten Tank auf das Produkt. Der Klon war fast vollständig ausgebildet, alle körperlichen Merkmalen gut erkennbar. Die Haut war fahlbleich, der Brustkorb hob und senkte sich bereits selbsttätig, die Atemluft wurde ihm jedoch noch direkt über ein Katheter am Halsansatz eingeführt. Das Gesicht des Mannes war sehr entspannt, unschuldig. Für einen winzigen Moment spürte Suarez etwas Bedauern , dass dieses Wesen bereits jetzt, noch gar nicht bei Bewusstsein, nicht mehr lange zu leben hatte. Er schaute sich den Körper noch einige Augenblicke genauer an, fand für einen Moment schade, dass grundsätzlich keine Klone mit weiblichen Attributen gezüchtet wurden – sie sollten der männlichen Truppe keine unnötige Ablenkung bereiten; Suarez hielt das für eine ziemlich schlechte Ausrede einer grundsätzlich etwas veralteten Männlichkeitsnormen verhafteten Generalität. Überall gab es weibliche Soldaten in der Truppe, und es war nicht bekannt, dass ihre männlichen Kameraden nichts Besseres zu tun hatten, als ihnen geifernd nachzuschauen.
In einem Punkt hatte die Militärführung aber vielleicht recht: Weibliche Klone würden möglicherweise als Freiwild angesehen, als zur Verfügung stehende Bettwärmer, entmenschlicht aufgrund ihrer Herstellungsart und Konditionierung. Suarez war niemand, der Fragen nach menschlicher Würde allzu lange und intensiv nachgrübelte, aber er wollte, dass seine Produkte sich dort bewährten, wo sie am meisten gebraucht wurden.
Und das war auf dem Schlachtfeld, im Kampf gegen einen übermächtigen Feind, nicht unter dem schwitzenden Arsch eines geilen Soldaten.
Suarez nahm seine langsame Wanderung wieder auf. Einige der Kammern nahm er nicht einmal bewusst wahr, hörte nur auf das leise und beruhigende Summen der Energieerzeuger und genoss die entspannenden Momente.
Dann froren seine Bewegungen plötzlich ein. Etwas wie ein elektrischer Schock durchfuhr seinen Körper. Seine Hände verkrampften sich.
Er machte einen Schritt zurück. Aus dem Augenwinkel …
Tatsächlich. Er riss die Augen auf, trat an die Wand der Brutkammer heran und starrte ungläubig auf das, was er da zu sehen bekam – nur wenige Augenblicke, nachdem er über den Nutzen oder Schaden weiblicher Klonsoldaten nachgedacht hatte.
Dieses Exemplar hatte nicht nur zwei unverkennbare Wölbungen auf Brusthöhe, die unzweideutig waren, sondern auch ein breiteres Becken und Geschlechtsorgane, die nichts mit der programmierten Ausstattung zu tun hatten. Suarez blinzelte. Das Gesicht der Klonfrau war genauso friedlich und entspannt wie das der Männer, die Züge eher schmal, nicht unangenehm anzusehen, wenngleich sicher nicht als schön zu bezeichnen.
Mit zitternden Händen zog Suarez seinen Kommunikator aus seiner Tasche.
»Germann!«
»Herr Doktor?«
»Rufen Sie Tank 212 auf.«
»Sofort.«
Ein Augenblick verstrich.
»Alle Werte grün.«
»Was sagen die Anzeigen?«
Germann zögerte mit der Antwort. »Ich verstehe nicht …«
»Wer ist in diesem Tank?«
»Soldat XV-212/1.«
»Was zeigt die Tankkamera?«
Germanns Tonfall war zu entnehmen, dass er seinen Vorgesetzten für leicht überarbeitet hielt. Er antwortete auf eine vorsichtige, langsame Weise, als habe er Angst, dass Suarez gleich hysterisch werden würde – was in der Tat vom Gemütszustand des Wissenschaftlers nicht weit entfernt war.
»Einen Klonsoldaten.«
»Welches Geschlecht hat er?«
Wieder eine kleine, höchst bezeichnende Pause.
»Männlich natürlich. Welches …«
»Kommen Sie runter. Bringen Sie eine Kamera mit. Und benachrichtigen Sie Capitaine Weller vom Sicherheitsdienst.«
»Aber warum …«
»Tun Sie es einfach!«, bellte Suarez in das Gerät und
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