Tentakelwacht
außerordentlich attraktiv war das Produkt keinesfalls. Alles in Suarez schrie die Erkenntnis, dass hier eine Soldatin geboren wurde, und das wäre gar nicht so schlimm gewesen, wenn er nicht die Ahnung hatte, dass sie nicht so leicht unter die Kontrolle der Behörden gebracht werden dürfte wie seine eigenen Kreationen.
Es war ihm kein Trost, dass Capitaine Weller von der Sicherheit gleichfalls einen erbarmungswürdigen Eindruck machte. Der Mann hatte die größte und lauteste Kritik einstecken müssen. Die Tatsache allein, dass dies nicht seine individuelle Schuld sein konnte, sondern ein kollektives Versagen aller Sicherheitsbehörden vorlag, hatte dafür gesorgt, dass er nicht sofort entlassen worden war.
Man war auf der Suche nach den Verantwortlichen, hieß es.
Suarez wusste aus vertraulicher Quelle, dass man keine Ahnung hatte.
So saß er brütend in seinem Arbeitsbereich, starrte durch die Plexiglasscheiben auf die Halle unter ihm, die Tanks aneinandergereiht, die Produkte in ihnen kurz vor der Vollendung. Es wimmelte von Soldaten. Man ging kein Risiko ein. Befehl war, alle 5000 Klone sofort zu töten, sobald sie aus dem Tank stiegen und dieser sich ausschaltete. Es würde ein Massaker werden, direkt vor seinen Augen. Das war furchtbar, wenngleich er die Notwendigkeit dieser Entscheidung durchaus einsah. Er hatte Injektionen vorgeschlagen, doch das Militär bestand darauf, dass niemand den Kuckucksklonen zu nahe kam. Kopfschuss. Eine große Schweinerei. Er würde ewig brauchen, bis er die nächste Tranche in Produktion brachte, und wer wusste, wie lange es dauern würde sicherzustellen, dass es keine weiteren untergeschobenen Klonfrauen geben würde. Die Techniker machten ihm keine allzu großen Hoffnungen.
Was für eine Verschwendung an Material, dachte Suarez. Er bemerkte gar nicht, wie Kurt Germann den Raum betreten hatte, in der Hand ein Datenpad, auf das er immer wieder mit verwirrtem Gesichtsausdruck blickte, ehe er seinen Chef aus dessen Grübeleien schreckte.
»Dr. Suarez?«
Der Wissenschaftler fuhr hoch, dann nickte er seinem Assistenten zu.
»Was gibt es?«
»Wir haben etwas gefunden.«
»Was?«
»Die Analyse der Genproben. Es gibt eine Übereinstimmung.«
Suarez fuhr hoch, schnellte aus seinem Sessel und griff nach dem Pad in Germanns Händen. Er starrte darauf und zog die Stirn kraus. »Erklären Sie mal, Germann«, murmelte er dann. »Wer ist diese Person und wie kommen deren Gendaten in unsere Produktionsdatenbank?«
»Genau wissen wir noch nicht, wie das geschehen ist, wenngleich wir eine Theorie haben. Es wurde von langer Hand vorbereitet, gleichzeitig zum Beginn des Klonsoldatenprogramms. Die Daten wurden frühzeitig und sehr gut versteckt eingeschleust. Wir reden hier über ein Netzwerk von Aktiven, die sehr eng mit dem Klonprogramm verbunden gewesen sein mussten, und das seit Jahrzehnten schon.«
Germann sah etwas unsicher auf seinen Chef, als ob er Angst hatte, dass dieser ihn sofort als einen der Verschwörer identifizieren würde. Tatsächlich kam Suarez der Gedanke, dass diese Information bedeutete, keinem mehr trauen zu können, bis dessen Loyalität absolut zweifelsfrei festgestellt worden war. Das betraf natürlich auch seinen Assistenten. Er würde ihn überprüfen lassen. Und danach würde er die Überprüfer überprüfen lassen. So viel Sorgfalt musste sein.
»Rahel Tooma, Marechal, später Capitaine, Raummarinecorps der Irdischen Sphäre«, las er laut vor und seine Stirn lag immer noch in Falten. »Warum sie?«
»Das wissen wir nicht. Nach den alten Aufzeichnungen ist sie nicht ganz ohne Prominenz. Auf Lydos hat sie den Widerstand gegen die Tentakel organisiert und ist dann mit der fehlgeschlagenen diplomatischen Mission in Zusammenhang gebracht worden. Sie kannte sowohl DeBurenberg als auch den mythischen Capitaine Haark persönlich. Zurück auf der Erde war sie für die Verteidigung des Armeehauptquartiers verantwortlich und war die Erste, die eine Tentakelmutter getötet hat. Unmittelbar nach der erfolgreichen Verteidigung des HQ und dem Niederschlagen der Invasion ist sie verschwunden – manche sagen, sie sei desertiert. Danach gibt es nur noch Gerüchte.«
»Was für Gerüchte?«
»Sie soll an mehreren Widerstandsaktionen der Wilden Zeit beteiligt gewesen sein, im Kampf gegen die Wiederherstellung der öffentlichen Ordnung. Sie hat dem Vernehmen nach sowohl der Bakunistischen Kommune auf Taiwan wie auch der Französischen Räterepublik als
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