Teranesia
sinnlosen Qualen erspart, sich durch die Ruinen des Kampungs graben zu müssen. Seine Mutter hatte zu ihm gesagt: »Bring sie weg von hier! Sie darf es nicht sehen!« Er hatte zu Ende geführt, was er begonnen hatte, als sie mit dem Boot aufgebrochen waren. Es war eine lange Reise geworden, aber nun war sie vorüber.
*
Als Grant mit ihrem Notepad aus der Kabine kam, standen tiefe Falten auf ihrer Stirn.
»Neue Nachrichten aus São Paulo«, sagte sie. »Sie haben das Modell verbessert.«
»Und?«
Sie stellte das Notepad vor Prabir auf die Reling; es zeigte eine Graphik, die mehrere große Moleküle darstellte, die sich an DNS-Stränge angelagert hatten. »Ich weiß nicht, was ich davon halten soll. Ich hatte gehofft, sie würden Hinweise darauf finden, dass ein Teil des Proteins Ähnlichkeiten mit einem Transkriptionsfaktor aufweist, dass sich nicht mehr funktionsfähige Promotoren erkennen lassen…«
Prabir bremste sie. »Als Kind konnte ich mit all diesen Begriffen noch etwas anfangen, aber seitdem sind sie etwas verblasst. Könnten Sie…?«
Grant nickte entschuldigend. »Promotoren sind DNS-Sequenzen, die neben dem Codierungsabschnitt eines Gens sitzen, dem Teil, der das eigentliche Protein beschreibt. Transkriptionsfaktoren verbinden sich mit Promotoren, um die Übersetzung des Gens in RNS zu starten, die dann als Blaupause für die Herstellung des Proteins dient, die ›Expression‹ des Gens.
Wenn ein Gen zufällig verdoppelt wird, könnten Mutationen innerhalb des Promotors einer Kopie irgendwann dazu führen, dass die Übersetzung nicht mehr gestartet werden kann. Um ein Gen zu identifizieren, das auf diese Weise inaktiv geworden ist, braucht man etwas, das eine Bindung mit einem beschädigten Promotor eingehen kann. Es müsste also ungefähr die gleiche Form wie ein Transkriptionsfaktor haben, dürfte aber nicht so passgenau sein. Um das Gen zu reaktivieren, gäbe es eine Reihe verschiedener Strategien, die sich entweder von Base zu Base vorarbeiten, um Punktmutationen im Promotor zu reparieren, oder den ganzen Abschnitt herausschneiden und durch eine intakte Version ersetzen.«
»Gut, das habe ich verstanden«, sagte Prabir. »Und was hat das Modelling-Team herausgefunden?«
Grant drückte auf eine Taste des Notepads und startete eine Animation der Graphik. »Dieses verdammte Ding kriecht einfach nur an der DNS entlang und richtet verheerende Schäden während der Replikation an. Normalerweise ist es so, dass sich die Doppelhelix entrollt, dass sich die zwei Stränge trennen und die DNS-Polymerase beide Hälften komplementär zu neuen Strängen ergänzt, durch Anlagerung frei umherschwimmender Basen. Das São-Paulo-Protein tut Folgendes: Es gleitet an jedem Einzelstrang entlang und zerschneidet ihn in individuelle Basen, während es anstelle des alten einen völlig neuen DNS-Strang synthetisiert. Und das wird anschließend von der DNS-Polymerase dupliziert.«
Prabir nahm ihr das Notepad ab und verlangsamte die Animation, damit er die einzelnen Schritte besser verfolgen konnte. »Und worin genau unterscheiden sich die alte und die neue Sequenz?«
»Im Wesentlichen besteht die neue Sequenz aus der alten plus sinnlosem Rauschen. Das SPP verändert seine Gestalt, während es sich an die Basen des Originalstrangs anlagert – es nimmt unterschiedliche Konformationen an, je nachdem, ob es Adenin, Guanin, Cytosin oder Thymin herausschneidet – und das wiederum bestimmt, welche Base als nächste in den neuen Strang eingefügt wird. Aber diese Korrelation ist nicht eindeutig, weil immer wieder zufällige Fehler eingebaut werden.«
Prabir lachte ungläubig. »Also handelt es sich um ein hochentwickeltes Mutagen aus eigener Produktion? Es hat denselben Effekt, als würden diese Geschöpfe ihre Gonaden freiwillig harter Strahlung oder Pestiziden aussetzen!«
»Darauf deutet die Auswertung der Resultate hin«, entgegnete Grant deprimiert.
Er ließ die Animation noch einmal ablaufen. »Nein, das ist verrückt. Wenn man ein paar zusätzliche Fehler in die DNS seiner Nachkommen einbauen möchte, könnte man es auf viel einfachere Weise tun und die DNS-Polymerase leicht verändern, damit sie nicht mehr ganz so zuverlässig arbeitet. Warum sollte man ein komplett neues System wie dieses erfinden, um gezielt fehlerhafte Einzelstränge herzustellen?«
»Genau das ist die Frage«, sagte Grant. »Und selbst wenn es triftige Gründe gäbe, diese Methode zu wählen, ist das gesamte Protein völlig überzüchtet.
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