Teranesia
Es gibt kommerzielle Enzyme, die ganz ähnlich funktionieren, aber hundertmal kleiner als das SPP sind.«
»Vielleicht gibt es einen Fehler in der Auswertungssoftware. Oder hinter diesen Veränderungen steht irgendeine Logik, ein Muster, das die Leute einfach noch nicht bemerkt haben.«
Grant zuckte missmutig die Achseln. »Sie haben jetzt damit begonnen, das Protein zu synthetisieren. Zur Zeit testen sie es in der Retorte, um die bisherigen Ergebnisse zu bestätigen.«
Sie schien sich die ganze Angelegenheit sehr zu Herzen zu nehmen. »Sie wissen«, sagte Prabir, »dass alles, was wir hier beobachtet haben, nicht durch zufällige Mutationen erklärt werden kann. Vielleicht lässt es sich schließlich doch irgendwie durch Ihre Theorie erklären. Aber was auch immer geschieht, zumindest kommen wir der Sache näher.«
»Das ist wahr.« Sie lächelte. »In São Paulo hat man das Protein synthetisiert, und ich habe eine Kultur von Fruchttauben-Spermatozyten angesetzt. Morgen werden sie wissen, was in der Retorte geschieht, und wir werden wissen, was sich in der lebenden Zelle abspielt.«
*
Als Prabir aufwachte, hatte sich diese Prophezeiung erfüllt. Grant war bereits seit drei Uhr morgens auf den Beinen, um nach einer Interpretation der Resultate zu suchen.
Die Experimente in São Paulo hatten das Computermodell bestätigt: Man hatte das Protein mit einigen hundert unterschiedlichen DNS-Strängen gefüttert, die es zerlegt und zu neuen Strängen von gleicher Länge verarbeitet hatte, indem es die Originalsequenz kopierte und zufällige Fehler einbaute. In Lausanne hatte eine andere Gruppe Vergleichstests durchgeführt und war zu den gleichen Resultaten gelangt.
Grant hatte in den Spermatozyten der Tauben RNS-Transkriptionen für das São-Paulo-Protein gefunden, was darauf hindeutete, dass das Protein in diesen Zellen produziert wurde. Eine direkte Nachweismethode stand ihr nicht zur Verfügung. Doch als sie die Sequenzdaten der Zellen vor und nach der Meiose verglich, stellte sich heraus, dass die Fehlerquote nur etwa ein Tausendstel der in den zwei In-vitro-Experimenten hergestellten Stränge betrug.
»Es muss noch ein zweites Protein geben«, sagte sie, »eine Art Helfer, der diesen Prozess modifiziert.«
»Also müssen sie sich die Sequenzdaten noch einmal genauer ansehen«, meinte Prabir. »Die Gene für dieses Molekül müssen irgendwo darin verschlüsselt sein.«
»Sie suchen schon danach. Für sich allein genommen ist das SPP wie ein Pantograph mit sehr vielen überflüssigen Gelenken. Und die könnten dazu dienen, dass sich etwas anderes daran bindet und es stabilisiert. Nicht so sehr, dass es perfekte Kopien herstellt; es genügt, wenn die Konformation des Proteins den letzten paar Dutzend Basen entspricht, mit denen es verbunden war.«
Prabir öffnete den Mund, um Turing-Maschine zu sagen, aber er hielt sich im letzten Moment zurück. Für die meisten Vorgänge in der Molekularbiologie gab es Computer-Analogien, aber es war nur selten hilfreich, wenn man sie zu sehr beanspruchte. »Dann könnte es also eine bestimmte Sequenz wie zum Beispiel einen Promotor erkennen, auch wenn es sich immer nur mit einzelnen Basen verbindet?«
»Vielleicht«, räumte Grant vorsichtig ein. »Die Leute haben sich auch Proben von den Fruchttauben von Ambon besorgt und wollen nun feststellen, was reine, synthetische SPP mit einem gesamten Chromosom anstellt, wenn in der Umgebung außer individuellen Basen nichts weiter vorhanden ist.«
Als sie ans Ufer wateten, blickte Prabir ins warme, klare Wasser, in dem er mit Madhusree geschwommen war, dann auf den grellen weißen Strand, wo sie gespielt hatten. Er hatte sie durch seinen Betrug nicht nur daran gehindert, bei der Erforschung der Schmetterlinge eine Rolle zu spielen, sondern ihr auch die Chance genommen, die Insel zu entmystifizieren, sie von den Schrecken der Vergangenheit zu befreien, wie er es nun für sich selbst tat.
Aber er hätte sie niemals hierher zurückbringen können. Er hätte niemals die einzige gute Tat in seinem Leben rückgängig machen können.
Grant wollte Exemplare des Schmetterlings in den anderen Entwicklungsstadien sammeln, sodass sie den ganzen Vormittag ausschließlich damit verbrachten, nach fleischigen Blättern zu suchen, die den Bedürfnissen der stacheligen Raupen entsprachen, und nach Ästen desselben Baumes, an denen sie sich verpuppten. Die ursprüngliche Form war recht einfach aufzufinden gewesen: Beide waren mit hellorangenen
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