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Teranesia

Titel: Teranesia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Egan
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Kokospalmen bewältigt –, aber er war überzeugt, dass er sich zum Narren machte, wenn er heute dasselbe versuchte.
    Er packte den Ast und zog sich daran hoch, dann schlang er die Füße darum und hing eine Weile wie ein Faultier da, bevor er sich entschieden hatte, wie es weitergehen sollte. Er stellte sich recht unbeholfen an, aber nachdem er es geschafft hatte, aufrecht auf dem Ast zu stehen und sich am nächsthöheren festzuhalten, wuchs seine Zuversicht. Der Geruch der Rinde, das Gefühl an seinen Fußsohlen, all das war ihm sehr vertraut, selbst der Anblick der benachbarten Bäume entsprach viel mehr seiner Erinnerung, als sie vom Boden aus wirkten. Er blickte hinunter auf Grant, um nicht die Perspektive zu verlieren, um nicht zu stark in die Vergangenheit gezogen zu werden.
    Sie legte eine Hand über die Augen und blickte zu ihm herauf. »Seien Sie vorsichtig!«
    Er tastete sich mit den Füßen den Ast entlang, spürte, wie er sich bog, und versuchte, seine alten Instinkte auf sein heutiges Körpergewicht abzustimmen. »Ich verspreche Ihnen«, rief er nach unten, »dass ich nicht beabsichtige, mir wegen einer Schmetterlingsraupe das Genick zu brechen.«
    Er untersuchte die Blätter in seiner unmittelbaren Umgebung auf Anzeichen von Raupenfraß, aber ohne Ergebnis. Also kletterte er höher hinauf. Fruchttauben flüchteten vor ihm; es war, als würde das Laub von einer plötzlichen Bö fortgerissen. Am Stamm saßen stinkende Käfer, aber sie ergriffen vor dem Insektenmittel die Flucht. Früher hatte es Pythons in den Bäumen gegeben, aber selbst die niedrigsten Äste hätten niemals das Gewicht eines Tieres getragen, das auch nur annähernd das Gewicht des Exemplars gehabt hätte, dem er im Mangrovensumpf begegnet war. Solange er nicht in Panik geriet und abstürzte, hatte er vermutlich nichts von seinen baumbewohnenden Verwandten zu befürchten. Sofern sie nicht giftig geworden waren.
    In zwanzig Metern Höhe fand Prabir etwas, das an einem dünnen Ast hing. Beim ersten Hinsehen hatte er es für eine Muskatnuss gehalten, aber dann hatte ein ungewohntes Strukturdetail ihn zu einem zweiten Blick veranlasst. Als er nahe genug war, um es gründlich betrachten zu können, stellte er fest, dass es ein Schmetterling war, der mit zusammengelegten Flügeln am Zweig hing. Es musste eine Puppe sein, aber es wirkte eher wie eine winzige schlafende Fledermaus als ein Insekt, das sich in der Metamorphose befand – und insgesamt hatte es mehr Ähnlichkeit mit einer Muskatnuss als mit irgendetwas anderem. Er berührte es vorsichtig; es fühlte sich sogar wie eine Muskatnuss an.
    Er holte sein Notepad hervor und machte ein paar Schnappschüsse, um die Befestigungsmethode zu dokumentieren, bevor er die Puppe ablöste. Der Seidengürtel rund um den Körper des Insekts war farblich so gut angepasst, dass er praktisch unsichtbar war; das kleine Stück, mit dem es am Ast verankert war, sah genauso wie ein Stiel aus. Er übertrug die Bilder direkt an Grant und sprach über das Notepad mit ihr, was einfacher war, als zu schreien.
    »Was halten Sie davon? Eine ziemlich gute Tarnung – so gut, dass die Gefahr besteht, versehentlich gefressen zu werden.«
    »Vielleicht haben sie für die Fruchttauben einen unangenehmen Geruch«, sagte Grant.
    »Warum… ach, vergessen Sie’s.« Ganz gleich, wie es sonst gemacht wurde, warum sollte man es nicht anders machen? Es war geronnene Geschichte, keine rationale Planung. Er löste die Puppe und verstaute sie im Rucksack. »Ich gehe noch eine Stufe höher, um zu sehen, ob es dort irgendwo Raupen gibt.«
    »Sind Sie sicher, dass die Äste Ihr Gewicht tragen?«
    Der nächsthöhere Ast setzte nur noch auf Brusthöhe an. Er schlang die Arme darum und zog sich probeweise daran hoch. »Ja, ich bin mir sicher.«
    Er stieg ganz hinauf. Er hatte mit Händen und Füßen einen sicheren Halt, aber er spürte, wie die Baumkrone hin und her schwankte, und durch das dünnere Geäst reichte sein Blick viel weiter. In dieser Höhe wirkten die entfernteren Äste auf unheimliche Weise wie die Streben einer irrwitzigen geodätischen Konstruktion. Vielleicht gelang es den Abenteurern mit den Stetson-Hüten, die der Expedition von Ambon aus gefolgt waren, ein Acrylglasdach über dieses Gerüst zu spannen und die gesamte Insel in ein Ausstellungszentrum zu verwandeln.
    Als er nach unten blickte, sah er die Ruinen des Kampungs. Plötzlich wurde ihm schwindlig, aber er konnte sich an einem Ast festhalten. Den

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